Im Herzen der Kvarner-Bucht

Ein Artikel von REISEN Magazin/Gerald Stiptschitsch | 04.11.2020 - 16:03
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Die Stadt Opatija gilt als Perle der Adria und liegt umgrenzt vom Gebirge direkt an der Kvarner Bucht vis á vis der Inseln Krk und Cres © xbrchx/shutterstock

Nur wenige Urlauber und Kurgäste, die – damals wie heute – nach Opatija zur Erholung kamen, haben auch das Naturrefugium des Učka-Gebirges kennengelernt. Dabei bietet die Bergregion ein attraktives Ausflugsziel für Wanderer, Bergsteiger, Kletterer und Naturliebhaber. Aber wer vermutet schon, dass hier, nahe der Küste, Kroatien auch so hoch oben erkundet werden kann und zwischen September und April Schnee keine Seltenheit ist?

Nummulit-Kalkstein: verwandt mit der Cheops-Pyramide

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Die Schlucht Vela draga, in der sich zahlreiche Klettersteige befinden, ist ein geomorphologisches Naturdenkmal, in dem zahlreiche Fossilien entdeckt wurden © Susy Baels/shutterstock

Der Naturpark Učka zeichnet sich durch seine außerordentliche landschaftliche Vielfalt auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche aus. Durch die Kombination der Meeresnähe und der großen Seehöhe von bis zu 1.400 m vermischen sich das mediterrane und das kontinentale Klima, was die Entwicklung vieler endemischer, rarer und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten zur Folge hatte. Das auffälligste Merkmal des Gebirges ist das Vor­kommen von Buchenwäldern auf kargem Karstboden. An den südöstlichen Hängen findet man jahrhundertealte Anpflanzungen mit Edelkastanien, die zum Wahrzeichen von Lovran wurden. Wer die wunderschöne Natur erleben möchte, kann dies auf mehreren Wanderwegen, auf Berg- und Lehrpfaden, Mountainbikestrecken oder Kletterpfaden an den Kalksteinsäulen der Vela draga-Schlucht erleben.
Übrigens weisen die hier gefundenen Fossilien den gleichen Nummulit-Kalkstein auf, aus dem die weltberühmte Cheops-Pyramide gebaut wurde. Učka ist die einzige Stelle auf der Welt, wo noch die endemische Glockenblume Učkarski zvončić (Campanula tommasiniana) zu finden ist und eine der letzten Stellen Europas, wo das geduldige Auge des Vogelfreundes mit eindrucksvollen Silhouetten des Gänsegeiers (Gyps fulvus) oder des Steinadlers (Aquila chrysaetos) belohnt wird. Diese Arten sind repräsentative Exemplare der Vogelwelt von Učka, ein Gebiet, in dem über 70 Vogelarten leben.

Atemberaubender Ausblick vom Gipfel Vojak

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Der Gipfel bietet Aussicht auf die Inselwelt der Kvarner Bucht, Insel Cres und Krk sowie auf die Küstenorte Opatija und Rijeka, bis weit in die italienische Alpenregion © Peter Polic/shutterstock

In nur wenigen Stunden führt einer der zahlreichen Bergwege von den malerischen mediterranen Städten an der Küste über die waldreichen Berghänge von Učka zum 1.401 m hohen Gipfel Vojak. Das erste schriftliche Dokument über einen Aufstieg von Bergsteigern aus Rijeka auf den Gipfel des Berges stammt aus 1852. Nachdem im 19. Jh. Opatija ein mondäner Kurort für die europäische Elite geworden war, wurden 1887 das erste Schutzhaus auf dem Poklon-Pass und 1911 der Steinturm auf dem Gipfel Vojak gebaut. Dieser Aussichtsturm, der in seiner Form an einen mittelalterlichen Turm erinnert, bietet einen atemberaubenden Blick in alle Himmelsrichtungen: auf die Halbinsel Istrien, die nordadriatischen Inseln, die Gebirge in Gorski kotar, Venedig oder die italienischen Alpen.
Wem der Weg vom Meeresspiegel aus nach oben zu anstrengend ist, der kann sich auch mit einem Zubringer auf den Poklon führen lassen, wo der Anfang eines Bergpfades liegt, der nach Poljana und weiter nach Ičiči bzw. Opatija führt. Der erste Teil, der hier an der Forststraße beginnt, ist ein etwas anspruchsvoller Aufstieg, der aber mit einem wunderschönen Ausblick und einmaligen Wald- und Berglandschaften belohnt wird. Der Pfad führt zum Teil entlang des Banina-Bachbettes. Eine Abzweigung bringt Sie zum attraktiven Wasserfall Rečina. In Poljane haben Sie mehrere Möglichkeiten: Sie können nach Ičiči hinabsteigen oder den Wanderweg nach Opatija fortsetzen. Letzterer ist ein angenehmer Waldspaziergang durch eine typische Küstenvegetation mit schönem Ausblick auf die Küste und das Meer. Der Pfad wurde zuletzt 2010 saniert und mit entsprechenden Markierungen und Wegweisern versehen sowie mit Rastplätzen ausgestattet.

Quellen in der Karstlandschaft

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Auswaschungen haben in der Umgebung zu teils eigenartigen Landschaftsformationen geführt © Gerald Stiptschitsch

Dank der geologischen Eigenschaften ist der Berg reich an Wasserressourcen: 27 Karst-Tümpel wurden in der Vergangenheit genutzt, um Vieh zu tränken. Durch die Erschließung einiger der über 70 Wasserquellen wurde die Bevölkerung, die am Fuße des Berges lebt, mit hochwertigem Wasser versorgt.
Der öffentliche Abfluss, der als wunderschöne Quelle angelegt wurde, befindet sich in unmittelbarer Nähe der natürlichen Wasserquelle. Das Alter wird auf über 200 Jahre geschätzt, als in der Zeit der Habsburgermonarchie die Straße gebaut wurde. Für die damals beträchtliche Anzahl an Leuten, die die Umgebung bewohnten und überwiegend Viehzucht und Ackerbau betrieben, diente das Bauwerk als Rastplatz, Quelle und Viehtränke. Die Quelle ist ein architektonisches Meisterwerk, das aus mehreren verschiedenen, miteinander organisch gebundenen Elementen besteht. In seiner Form erinnert das Bauwerk an eine Fontäne und wird in der örtlichen Bevölkerung als „Wasser Napoleons“ bezeichnet. Bei Restaurierungsarbeiten 2003 entdeckte man am Sockel eine Inschrift in lateinischer Sprache mit dem Namen Kaiser Joseph II. von Lothringen, der im Zeitraum von 1780 bis 1790 herrschte.

Über den Poklon-Pass zum Marienwallfahrtsort

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Das Restaurant am Poklon ­bietet auch Doppelzimmer zur ­Nächtigung an und hat ganzjährig ­geöffnet © Gerald Stiptschitsch

Zum Naturpark gehören neben dem Učka-Gebirge auch ein Teil der Cicarija Bergkette. Beide sind miteinander durch den Gebirgspass Poklon verbunden, der mit dem Auto eine halbe Stunde von Opatija aus erreichbar ist. Im Sommer bietet sich dort eine wohltuende Erfrischung in der kühlen grünen Berglandschaft. Der Pass bedeutet im kroatischen „Verbeugung“ und liegt auf 922 m. Ausschlaggebend für diesen Namen war die Frömmigkeit des Volkes. Die Gläubigen aus Istrien reisten seit Jahrhunderten über genau diesen Pass zum Marienwallfahrtsort Trsat in Rijeka. Wenn sie den Poklon erreichten, der einen herrlichen Blick auf die Kvarner Bucht bietet, verbeugten sie sich stets vor der Wallfahrtskirche der Muttergottes von Trsat, die man auf einem Hügel oberhalb der Rječina-Schlucht in der Weite erblicken kann. Diese Tradition gewann nach dem Ersten Weltkrieg während der italienischen Besetzung Istriens und im Gebiet westlich des Flusses Rječina noch mehr an Bedeutung. Nachdem sich die Kultstätte zu dieser Zeit jenseits der Staatsgrenze befand, konnten sie die Wallfahrer nicht erreichen. So nutzten sie den Poklon-Pass, der Muttergottes ihre Verehrung entgegen zu bringen. Zum Andenken an diese Tradition wurde am Aussichtspunkt auf dem Poklon-Pass ein Kreuz aufgestellt. Hier wurde im Sommer 1887 auch das erste Schutzhaus gebaut.
Aber das Bild von Učka wäre nicht vollständig, wenn der Einfluss von Menschenhand im Zusammenhang mit dem geschichtlichen Erbe der Region unausgesprochen bliebe. Gemeint sind die Funde in einigen Höhlen im Gebiet des Naturparks. Diese sind ein eindeutiger Nachweis über die kontinuierliche Besiedlung des Gebiets seit 14.000 Jahren. Neben dem reichen archäologischen Erbe sind auch das architektonische und das kulturelle Erbe sowie die lokale Tradition und die verschiedenen Kulturveranstaltungen sehr interessant. Die Palette der Unterhaltungsmöglichkeiten vervollständigt das Angebot an lokalen Spezialitäten aus Esskastanien (Maroni), Spargel, Oliven, Trüffeln und anderen Naturprodukten.