Retz besitzt die „Königin Europa“

Ein Artikel von Michaela Tebaldi | 22.03.2021 - 10:36
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Ausschnitt der Karte „Königin Europa“ © Museum Retz – Förderverein

Es ist fast genau 1 Jahr her, dass die „Königin Europa“ im Museum Retz im Weinviertel entdeckt worden ist. Bis dahin schlummerte der Schatz im Depot des Museums. Der Archäologin und Kulturwissenschafterin Mag. Dr. Celine Wawruschka von der Donau-Universität Krems ist es zu verdanken, dass diese wertvolle Darstellung Europas nun öffentlich zugänglich ist. Im Zuge des Forschungsprogramms „MuseumsMenschen“ wurde sie auf den frühneuzeitlichen Holzschnitt aufmerksam. 

Das Herz der Königin liegt in Böhmen

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Die „Königin Europa“ ist die älteste Karte dieser Form © Museum Retz – Förderverein

Wawruschka analysierte den Holzschnitt und kam zu dem Schluss, dass es sich um ein Werk aus dem 16. Jh. handelt. Um genau zu sein, handelt es sich bei der „Königin Europa“ um die älteste bekannte Karte, welche den europäischen Kontinent in Form einer Frau, einer Königin, zeigt.
Solche figürlichen Darstellungen der Erdteile (Erdteilallegorien) waren in der frühen Neuzeit sehr beliebt. Die Retzer Europakarte wurde Nachforschungen zufolge im Jahr 1534 vom Tiroler Humanisten Johannes Putsch (1516-1542) gefertigt bzw. zum Druck in Auftrag gegeben. Sie gilt als Vorbild für alle folgenden kartographischen Erdteilallegorien, die speziell in der zweiten Hälfte des 16. Jh. im gesamten Heiligen Römischen Reich verbreitet waren. 
Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass das Haupt der Königin in Spanien liegt. Die Pyrenäen legen sich wie eine Art Kette um ihren Hals. Die Schultern können Frankreich zugeschrieben werden – den aus Sicht des Betrachters linken Arm bildet Italien. In dieser Hand hält sie auch den Reichsapfel – Sizilien. In der Körpermitte der Königin findet man die Länder Mitteleuropas, auch Österreich mit Wien in einer Stadtansicht. Das Herz der Darstellung ist Bohemia, Böhmen. Genau dort regierte Ferdinand I., der Bruder von Kaiser Karl V. Der rechte Arm formt sich zu Dänemark mit dem Zepter. Den Rock der Königin teilen sich die Länder Osteuropas, von Ungarn und Polen über Serbien und Albanien bis Bulgarien und Weißrussland. Ganz unten sieht man das Donaudelta, da im heutigen Schwarzen Meer mündet.

Die älteste Karte dieser Form

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Im Weinbaustädtchen Retz wurde die „Königin Europa“ vor einem Jahr entdeckt © Pecold/shutterstock

Zwei Dinge machen die „Königin Europa“ so besonders. Zum einen ist es die Tatsache, dass es die älteste bisher bekannte Darstellung eines Erdteils dieser Art handelt. Zum anderen ist es das Gedicht, welches sich ganz unten auf der Karte befindet. Dieses folgt der humanistischen Tradition und wurde von Johannes Putsch verfasst. Die Zeilen richten sich  an Kaiser Karl V. (1500-1558) sowie dessen Bruder Ferdinand I. (1503-1564). Darin beklagt die Königin Europa Kriege und Streitigkeiten der Vergangenheit sowie der Gegenwart und richtet sich mit der Bitte um Hilfe an die beiden Herrscher aus dem Hause Habsburg.

Das Museum Retz ist von Karsamstag bis zum Nationalfeiertag am 26. Oktober jeweils am Fr., Sa., Sonn- u. Feiertag von 13 bis 17 Uhr geöffnet.

Infos:
www.museumretz.at