Innsbrucks mittelalterliche Stadtmauer

Ein Artikel von Anton Prock | 21.06.2022 - 08:53
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Innsbruck um 1755 mit Inntor und Stadtgraben (Fresko Dreiheiligenkirche) © Anton Prock

Eine mittelalterliche Stadt musste eine Befestigung haben. Wer sich von außen näherte, gelangte zuerst meist zu einem Schüttwall. Danach folgte der Stadtgraben, der, je nach Möglichkeit, mit Wasser geflutet wurde. Hinter dem Graben bot die niedere Zwingermauer Schutz. Dahinter erstreckte sich bis zur eigentlichen hohen Stadtmauer der sogenannte Zwinger, meist nur wenige Meter breit. Feinde waren somit zwischen der niederen Zwingermauer und der hohen Hauptmauer in ihrer Bewegungsfreiheit „eingezwungen“. 

Wo die Stadtmauer heute noch zu sehen ist

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Rest der ehemaligen Stadtmauer am Marktgraben © Anton Prock

Die einstige Stadtmauer von Innsbruck bildet noch heute teilweise die Außenseite vieler Häuser entlang von Innrain, Marktgraben, Burggraben, Franziskanerplatz, Rennweg, der Herrengasse und der Herzog-Otto-Straße. So ist bei den Häusern Marktgraben Nr. 13 und Herzog-Otto-Straße Nr. 10 (an der Innseite des Brixner- bzw. Stamserhauses) jeweils ein kleines verglastes Fenster vorhanden, das den Blick auf die freigelegten Steine der Stadtmauer erlaubt. Als Baumaterial dienten in erster Linie die vom Wasser abgerundeten Steine aus dem Inn und den umliegenden Bächen.
An der innseitigen Mauer der Ottoburg erkennt man noch ein oben abgeschrägtes Stück der Mauer. Beim rund 1 m dicken Tordurchbruch vom rückwärtigen Domplatz zum Gasthof Fischerhäusl in der Herrengasse handelt es sich ebenfalls um die ehemalige Stadtmauer. Hier ist noch der Zwinger zwischen der Außenseite der Häuser und der niederen Zwingermauer an der Herrengasse erhalten.

Wie die Stadmauer samt Stadtgraben verschwand

Im Zuge der 1765 in Innsbruck abgehaltenen Hochzeit von Erzherzog Leopold, einem der Söhne Maria Theresias, mit der spanischen Prinzessin Maria Ludovica wurden der Stadtgraben zugeschüttet, das Vorstadt- oder Spitalstor 1765, das Inntor 1790 und das Frauen- oder Pickentor 1779 entfernt. Das Rumer- oder Saggentor mit dem Wappenturm ist im Umbau der Hofburg unter Maria Theresia aufgegangen.
Das Wasser im Stadtgraben wies nur eine sehr geringe Strömung auf. Da sich darin allmählich Unrat angesammelt hatte, war auch eine gewisse Geruchsbelästigung gegeben. 
An der Innenseite der Stadtmauer, wo ursprünglich ein hölzerner Wehrgang bestand, wurden später Häuser angebaut, weshalb die Stift- und Schlossergasse sehr eng sind. Ab etwa 1500 durften die dortigen Hausbesitzer die Mauer für den Einbau von Fenstern und Türen durchbrechen, mussten jedoch im Kriegsfall diese Öffnungen auf eigene Kosten verschließen.
Wo an der Westseite des Franziskanerplatzes noch einige ebenerdige Geschäfte bestehen, erstreckten sich bis 1765 der Zwinger und der Stadtgraben. Schon bald nach 1765 entstanden entlang des gesamten Markt- und Burggrabens vereinzelt Verkaufsläden, ab etwa 1860 durchgängige, eingeschossige Ladenvorbauten. Diese wurden infolge von Kriegsschäden nach 1945 großteils abgerissen, einige entlang des nördlichen Marktgrabens bestanden jedoch bis in die 1980er-Jahre. Marktgraben und Burggraben waren also bis zur Entfernung dieser Vorbauten für Verkehr und Fußgänger viel schmäler.

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