Wo die Römer die Alpen überquerten

Ein Artikel von Mag. (FH) Eva Riegler | 30.03.2016 - 09:27
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Die Ecke des "Putzhauses" in Mauterndorf ziert noch heute ein römischer Meilenstein © wikipedia.org/Herbert Ortner

Rund 500 Jahre dauerte die Herrschaft der Römer in unserem Land und vielfältig sind die Spuren, die sie hinterlassen haben. Wussten Sie z.B., dass unsere Straßen heute noch nach den Grundsätzen gebaut werden, die schon damals Anwendung fanden?

Zwischen Lungau und Pongau

Eingebettet zwischen den Niederen und den Schladminger Tauern im Osten und den Radstädter Tauern im Westen liegt der Radstädter Tauernpass (1.738 m), der auch den Lungau und den Pongau trennt. Bereits im Altertum wurde dieser Alpenübergang genutzt. Heute führt die Katschbergstraße (B99) von Radstadt im Ennstal über den Pass nach Tweng und Mauterndorf im Lungau und weiter über St. Michael im Lungau und den Katschbergpass (1.641 m) nach Kärnten.

Direkt auf dem Pass thront der bekannte Wintersportort Obertauern. In der Nähe der Passhöhe entspringen die beiden Taurach-Flüsse – die Nördliche oder auch Pongauer Taurach sowie die Südliche (Lungauer) Taurach. In den beiden Rampen durchqueren die Katschbergstraße und die jeweilige Taurach eine Engstelle: In der Nordrampe ist das die Taurachklamm, in der Südrampe der Twenger Talpass.

Von strategischer Bedeutung

Lange bevor die ersten Skifahrer die Hänge der Gegend für sich entdeckten, beginnt die Geschichte mit der Besiedelung durch keltische Stämme. Wie durch Ausgrabungen belegt ist, reicht diese bis zu 2.400 Jahre zurück, und schon die Taurisker bauten eine befahrbare Straße über den Radstädter Tauernpass.

In der römischen Kaiserzeit erfolgte unter Septimius Severus (193 bis 211 n. Chr.) eine umfangreiche Erneuerung dieser Verbindung. Der einstige Stadthalter Roms in Pannonien und spätere Kaiser sollte als einer der Begründer des Straßenbaus in die Geschichte eingehen.

Er hatte erkannt, wie wichtig gut ausgebaute Verbindungen für militärische Zwecke waren. Ganze Legionen mussten möglichst schnell von einer Provinz in die nächste verlegt werden, um die Herrschaft zu erhalten und neue Territorien zu erobern. Dabei stellte die Bewältigung der Alpen von Süden nach Norden (und umgekehrt) ein besonderes Problem dar.

Römische Straßenbaukunst

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Sowohl die Südrampe der Katschbergstraße als auch die Südliche (Lungauer) Taurach durchqueren die Engstelle des Twenger Talpasses - ein wunderschönes Naturschauspiel © wikipedia.org/Michielverbeek

Bereits die Römer wussten, dass bei klimatischen Verhältnissen, wie sie im Alpenraum vorherrschen, Straßen unbedingt einen frostsicheren Unterbau benötigen. Ihre Straßen waren daher dank ihres straßentechnischen Aufbaus im Gegensatz zu den Naturwegen germanischen und keltischen Ursprungs nicht nur weitgehend unabhängig von der Feuchte des Bodens passierbar, sondern führten immer möglichst gradlinig durch Ebenen.

Mit Kunstbauten wie Stützmauern und Brücken wurden Steigungen überwunden. Die Befestigung erfolgte durch einen genauen Schichtaufbau, der sich bestenfalls durch die regionalen Unterschiede der Verfügbarkeit bestimmter Baumaterialien unterschied. Die Fahrbahndecke wurde mit Pflastersteinen auf eine feste Fahrbahnbreite ausgelegt, Randsteine formten Rinnen in die Konstruktion.

Durch die mühevolle Arbeit von beherrschten Menschen, die zu Frondiensten herangezogen wurden und Arbeitssklaven entstanden so mehr als 1.000 km Straßen kreuz und quer durch Europa. Ihr Verlauf samt den wichtigsten Verkehrsknoten wurde in der historischen Tabula Peutingeriana kartiert.

Saumweg über die Tauern

In dieser „römischen Straßenkarte“ ist bereits eine Verbindung zwischen Juvavum (Salzburg) und Virunum (Zollfeld) eingezeichnet, die über „In Alpe“ (die Radstädter Tauern) führt. Die Teilstrecke von Lausitzgraben (St. Margarethen im Lungau) über die Radstädter Tauern zählt zu den bekanntesten römischen Bergstraßen Europas.

Mit Hilfe von Kehren bewältigten die römischen Straßenbauer eine Höhendifferenz von 725 m bei einer durchschnittlichen Steigung von 8,25 %. Forscher sehen in der nur 2,5 m breiten Straße einen Saumweg, dennoch ist wahrscheinlich, dass er mit Karren in der gesamten Länge, also auch über die Passhöhe hinweg, befahrbar war. Große Steinplatten bildeten den Straßenbelag, hohe Steine begrenzten die Straße, bei der eine Neigung der Fahrbahn für den Wasserabfluss sorgte.

1.000 Doppelschritte

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Eine römische Meile (ca. 1.460 m) betrug der Abstand zwischen den einzelnen Steinen © wikipedia.org/Arnulf zu Linden

Entlang dieser einst strategisch wichtigen Strecke konnten 24 römische Meilensteine gefunden werden, die Sie heute noch sehen können. Diese wurden im Zuge des Straßenbaues im Abstand von römischen Straßenmeilen (millia passum) gesetzt. Eine millia passum waren 1.000 Doppelschritte, was heute einer Länge von 1.480 m entspricht.

Die Verwaltung der Region erfolgte von Teurnia (bei Spittal an der Drau) aus. Daher war auch die Meilenzählung von dort ausgerichtet. Die Strecke von Teurnia bis zur Tauernpasshöhe betrug genau 45 Meilen und ab etwa 100 n. Chr. wurde reger Saumhandel über den Pass betrieben.

In den Süden wurden Salz, Edelmetalle und Wolle, in den Norden Wein, wertvolle Öle sowie Gewürze transportiert. 60 bis 170 kg betrugen die Lasten, die Händler und ihre Pferde über die Passstraßen der Alpen trugen.

Neben den Meilensteinen ist auch die Trassenführung der Römerstraße noch für aufmerksame Betrachter erkennbar. Vor einiger Zeit wurde sogar eine sogenannte „Hipposandale“, ein römisches Fußeisen für Pferde, gefunden.

Weitere Spuren der einstigen Herrscher finden sich im Pinzgau, wo römische Siedlungen entstanden. Eine befand sich am Biberg bei Saalfelden, eine andere in Taxenbach, wo ein Münzenschatz ans Tageslicht kam.

In Zell am See fand man 1952 bei Aushubarbeiten an der Berglehne des Fuchslehens Tafelgeschirr aus der Zeit um etwa 30 bis 160 n. Chr.

Tabula Peutingeriana

Die Tabula Peutingeriana, auch Peutingersche Tafel, ist eine kartografische Darstellung, die das römische Straßennetz (viae publicae) im spätrömischen Reich von den Britischen Inseln über den Mittelmeerraum und den Nahen Osten bis nach Indien und Zentralasien zeigt. Der Name China erscheint am äußersten Rand im Osten, ohne dass jedoch entsprechende Landmassen eingezeichnet worden wären.

Sie ist nach Konrad Peutinger (1465 bis 1547) benannt und zählt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.