Zwischen Melange und Marmortisch

Ein Artikel von Leonie Maier | 24.08.2025 - 14:13
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Viele Kaffeehäuser haben eine elegante, nostalgische Ausstattung aus der Gründerzeit. © Mojmir Fotografie/Shutterstock

Remote Work ist derzeit präsenter denn je und es ist längst Normalität geworden, Menschen mit ihren Laptops neben frühstückenden Personen zu sehen. Doch wer wusste, dass Wiener Kaffeehäuser schon früher als Wohn- und Arbeitsraum dienten? Viele empfingen ihren Besuch oder vereinbarten berufliche Treffen in den edlen Räumlichkeiten. Manche Stammgäste waren sogar telefonisch in ihren Lieblingskaffeehäusern erreichbar oder holten ihre Post dort ab. Zudem lockte das breite Angebot an Zeitungen, da im Vergleich zum freien Verkauf deutlich mehr Informationen über Geschehnisse aus dem Ausland verfügbar waren. Dabei waren die Wiener Kaffeehäuser nicht nur Orte für geistige Arbeit: In den hohen Räumen mit Marmortischen, Thonet-Stühlen, Spiegeln und eleganten Zeitungsständern konnte man sich gleichzeitig kulinarisch verwöhnen lassen. Die Auswahl reichte von Melange über Einspänner und Kleinen Braunen bis hin zu süßen Klassikern wie Apfelstrudel oder Sachertorte. Egal, ob in den teureren „Stadtcafés“ an der Ringstraße bzw. in den inneren Bezirken oder in den einfacheren, sogenannten „Volkscafés“ in der Vorstadt – Kaffeehäuser waren schon immer Orte des sozialen Austausches.

Wo die Zeit stillsteht

Im Jahr 1685 erhielt Johannes Deodat schließlich das Kaffeeausschank-Privileg und eröffnete in seinem Wohnhaus am Haarmarkt (heute Rotenturmstraße 14) das erste Kaffeehaus Wiens. Vor allem armenische Händler trugen dazu bei, dass sich das beliebte Getränk rasch in der Donaumetropole etablierte und eine eigene Kaffeehauskultur entstand, die jener in anderen europäischen Städten ähnelte. Im 19. Jh. wurde die Tradition zunehmend mit Luxus assoziiert. Zudem war sie anfangs hauptsächlich Männern vorbehalten, denn erst ab 1840 gehörten auch Frauen zum Klientel der Wiener Kaffeehäuser. Apropos Publikum: Über die Jahrhunderte hinweg haben viele berühmte Persönlichkeiten diese Institutionen besucht und geprägt, darunter Stefan Zweig, Sigmund Freud und Gustav Klimt. Schon Alfred Polgar wusste: „Im Kaffeehaus sitzen Leute, die alleine sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen.“ Angesichts dessen ist es nur logisch, dass die Wiener Kaffeehauskultur 2011 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt wurde. Auch heute sind die eleganten Salons Orte, an denen die Zeit „stillstehen“ darf, wodurch sie eine Alternative zur schnellen Konsumkultur und zu den Social-Media-Trends moderner Coffeeshops bieten. Wer die echte Wiener Lebensart genießen möchte, macht es sich daher am besten mit Melange und Sachertorte an einem der Marmortische gemütlich.