Die skurrilsten Feste der Welt

Ein Artikel von REISEN-Magazin/Christiane Bartal | 15.09.2020 - 13:08

Man soll die Feste feiern, wie sie fallen, heißt es. Und das gilt nicht nur bei uns, sondern auf der ganzen Welt. Bei manchen Bräuchen schüttelt unsereins allerdings den Kopf – etwa, wenn sich erwachsene Menschen ausgelassen mit farbigem Pulver oder überreifen Paradeisern bewerfen, Picknicks am Friedhof mit Totenbrot und Naschereien wie Marzipantotenköpfen gemeinsam mit den verstorbenen Seelen gefeiert werden oder Todesmutige mit Kampfstieren um die Wette laufen. Was für uns mitunter verrückt erscheint, ist in anderen Ländern jahrhundertelang gelebte Tradition und im Jahreslauf fest verankerter Brauch. Manches taucht in abgewandelter Form sogar in unseren heimischen Veranstaltungskalendern auf – etwa das ursprünglich aus Indien stammende farbenfrohe Holi-Festival.
Wer ein Land und seine Menschen in allen Facetten kennenlernen möchte, sollte auch an ihren Festen und Bräuchen teilnehmen, sofern diese nicht schon zu touristisch werbewirksamen Inszenierungen verkommen sind. 
Wer weiß, vielleicht erscheinen Perchten- oder Glöcklerlauf, Funkenverbrennen und so manch anderer österreichische Brauch für andere Kulturen ja auch etwas bizarr? Man muss eben nur die Hintergründe kennen, um zu verstehen, warum und was eigentlich genau gefeiert wird.

Holi – Das Fest der tausend Farben, Indien

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Indisches Fest „Holi“ © Kristin F. Ruhs/shutterstock

Mit einer regelrechten Farbschlacht heißen die Nordinder den Frühling willkommen. „Holi“, das Fest der tausend Farben, beginnt am Vollmondtag des Monats Phalguna (Februar/März) und dauert zwei bis zehn Tage. Für kurze Zeit ist das strenge Kastensystem außer Kraft gesetzt. Alle sind gleich – gleich bunt. „Happy Holi“ schallt es durch die Gassen, während sich Abertausende Menschen gegenseitig mit farbigem Pulver („Gulal“) bewerfen. Sie feiern damit den Frühlingsanfang und den Sieg des Guten über das Böse: die Vernichtung der legendären Dämonin Holika. Als Zeichen dafür wird traditionell eine Holika-Strohpuppe verbrannt. 
Außerhalb Indiens hat sich das farbenfrohe Fest als Event ohne spirituellem Hintergrund etabliert. Auch in Österreich: Im Sommer 2017 tourte das „Holi Festival“ mit sieben Terminen durch das Land.

La Tomatina, Spanien

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Spanische Tomatenschlacht „Tomatina“ © Iakov Filimonov/shutterstock

Zehntausende Menschen bewerfen sich alljährlich mit überreifen (und daher für den Verkauf ungeeigneten) Paradeisern, die von LWK tonnenweise auf die Straßen des spanischen Ortes Buñol gekippt werden. Wer da nicht mit einer Taucherbrille vorgesorgt hat, sieht sehr bald rot. Die Regel sieht vor, dass die Früchte vor dem Werfen in der Hand zerdrückt werden müssen, um Blessuren durch die „Geschoße“ vorzubeugen. Das Spektakel dauert exakt eine Stunde – mit dem zweiten Böllerschuss ist die Schlacht um Schlag 12 Uhr vorbei. Was bleibt, ist die Sauerei. Aber nicht lange, denn zum Ehrenkodex gehört auch, dass alle Teilnehmer danach mithelfen, die Straßen wieder zu säubern. Die traditionelle Tomatenschlacht „Tomatina“ wird bereits seit den 1940er Jahren immer am letzten Mittwoch im August ausgetragen. 

Hadaka Matsuri – Nackte-Männer-Festivals, Japan

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Japanisches Hadaka Matsuri-Festival © yukihipo/shutterstock

Nacktfeste gibt es in Japan mehrere. Man könnte sie als Ausdruck für die ungezwungene Einstellung der Japaner gegenüber Nacktheit sehen. In Wirklichkeit haben sie aber einen spirituellen Hintergrund. Beispielsweise dienen sie der rituellen Reinigung: Nur mit dem traditionellen Lendenschurz „Fundoshi“ bekleidet, baden die ausnahmslos männlichen Teilnehmer in Ikenoue am Jahresende im kalten Flusswasser. Das Ritual basiert auf dem Mythos, dass der Göttervater Izanagi nach seiner Flucht aus der Unterwelt sich aller Verunreinigungen durch ein Bad im Fluss entledigte. Eines der größten Nacktfeste findet alljährlich im Februar in Okayama statt: Nach einem reinigenden Bad im Fluss begeben sich die tausenden Teilnehmer zum Tempel, wo um Mitternacht Glücksbringer in die Menge geworfen werden. Wer sich beim darauffolgenden wilden Kampf um die Talismane durchsetzt, soll das ganze Jahr über mit Glück beschenkt werden.

Up Helly Aa – Das zünftige Wikingerfest, Schottland

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„Up Helly Aa “ in Schottland © konstantin belovtov/shutterstock

Die Gesichter von rund tausend bärtigen Männern leuchten im Feuerschein. Jeder hält eine Fackel in der Hand. Als Wikinger verkleidet, mit Rüstungen aus Leder, Fell und Metall, ziehen sie durch die Gassen des Städtchens Lerwick auf den Shetland-Inseln und singen Lieder aus vergangenen Zeiten. Jedes Jahr am letzten Dienstag im Jänner wird das Wikingerfest „Up Helly Aa“ gefeiert. Zentrale Gestalt während der Organisation und des ganzen Festtages ist der Wikingerhäuptling Guizer Jarl. Jener Moment, in dem die Männer ein eigens angefertigtes, prachtvolles Wikingerboot aus Holz anzünden, gilt als Höhepunkt der Zeremonien. Im Gegensatz zu den traditionellen „Nordischen Begräbnissen“, bei dem Wikingerhäuptlinge nach ihrem Tod gemeinsam mit ihrem Schiff eingeäschert wurden, klettert der Guizer Jarl-Darsteller beim Wikingerfest natürlich heraus, noch bevor die Flammen das Schiff einnehmen. Damit ist das Fest aber noch lange nicht vorbei. Getanzt und getrunken wird bis zum Morgengrauen. Der darauffolgende Mittwoch wurde übrigens zu einem offiziell arbeitsfreien Feiertag erklärt.

Elefantenfest, Indien

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Elefantenfest in Jaipur © JeremyRichards/shutterstock

Wer Rajasthans Hauptstadt Jaipur im März besucht, erlebt nicht nur das Holi-Festival, sondern auch das lokale Elefantenfest, das zur gleichen Zeit stattfindet. Reich geschmückte und bemalte Tiere ziehen in einem festlichen Umzug durch die Straßen, begleitet von Trommelrhythmen, Trompetenklängen und Tänzern. Zu den Höhepunkten des Festivals zählen das Elefanten-Rennen, Elefanten-Polo, das traditionelle Tauziehen zwischen Elefant und Mensch und natürlich die bunte Holi-Farbschlacht auf dem Rücken der Dickhäuter. 

Affenbuffet-Festival, Thailand

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Affenfest in Thailand © topten22photo/shutterstock

Es ist mehr ein Fest für die Affen, als für die Menschen: Beim Affenbuffet Ende November werden den kecken Makaken vor der Tempel­anlage von Pra Prang Sam Yot (Provinz Lopburi) mehr als 4.000 kg Obst und Gemüse kredenzt. Warum? Affen gelten bei vielen Thais als heilig. Und dem Tourismus schadet das Schauspiel, das mittlerweile zum Besuchermagneten avancierte, ohnehin nicht.

Der Tag der Toten, Mexiko

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Allerheiligen auf maxikanisch © betto rodrigues/shutterstock

Ende Oktober gedenken die Mexikaner der Verstorbenen traditionell mit dem „Dia de los Muertos“, dem Tag der Toten – einem fröhlichen, lebensbejahenden Volksfest. Im Glauben der Ureinwohner kommen die Toten einmal im Jahr zurück. Dann werden farbenprächtig geschmückte Altäre aufgestellt mit Leckereien für die toten Seelen: traditionelles Totenbrot, Zucker-Totenköpfe oder Särge aus Marzipan. Auf den Friedhöfen picknicken die Lebenden des nächtens und feiern ausgelassen am Grab der Angehörigen. 

Stierlauf, Spanien

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Pamplona und sein Stierrennen © Migel/shutterstock

Jedes Jahr am 6. Juli um 8 Uhr gibt eine kleine Rakete auf dem Rathausplatz von Pamplona den Startschuss für den traditionellen – und äußerst umstrittenen – Stierlauf im Rahmen des Volksfestes San Fermín. Entlang einer vorgegebenen Route werden die Tiere von rot-weiß gekleideten Läufern, „Mozos“ genannt, durch die engen Gassen der Altstadt getrieben. Jeder (Todesmutige), der sich traut, darf spontan mitlaufen – vorne weg als Gejagter oder hinten nach als Treiber. Kein ungefährliches Unterfangen, schließlich kommt es immer wieder zu Massenstürzen, Verletzten und sogar Toten. Seit 1924 ließen dabei 15 Menschen ihr Leben. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, mietet einen der begehrten Balkone, um das gefährliche Treiben von oben zu verfolgen. Seinen Ursprung hat die Tradition des Stierlaufs, den es bereits seit dem 16. Jh. gibt, im Hintreiben des Viehs zum Viehmarkt. Heute ist das Ziel hingegen die Arena, wo die Tiere beim Stierkampf getötet werden.