Spuk auf Gwrych Castle

Ein Artikel von Michaela Tebaldi | 14.10.2020 - 11:40
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Gwrych Castle in Wales © Fulcanelli/shutterstock

Gwrych Castle ist ein walisisches Schloss, das auf eine bewegte Geschichte zurückblicken kann. Heute steht das Anwesen unter Denkmalschutz, zuvor hat es aber viele Male den Besitzer gewechselt. Ausgesprochen wird das Wort Gwrych übrigens so : „Gwiritsch“. 
Das Schloss, in dem es spuken und geistern soll, liegt bei Abergele im Conwy County Borough, knapp 300 km von der walisischen Hauptstadt Cardiff entfernt.

Enstehung eines Schlosses

Erbaut wurde Gwrych Castle zwischen 1812 und 1822 von Lloyd Hesketh Bamford, der den Vorfahren seiner Mutter (Frances Lloyds), den Lloyds of Gwrych, ein Denkmal setzen wollte. Dazu war ihm nichts zu teuer.
Eine Besonderheit des Gebäudes sind die gusseisernen Fenster. Für diese sowie die Gesamtgestaltung waren die damals namhaften Architekten und Designer Charles Augustus Busby und Thomas Rickman verantwortlich. Auch für die Innenausstattung wurden Profis angeheuert und das Schloss insgesamt vier Jahrzehnte lang immer wieder erweitert.
Nach Lloyd Hesketh Bamfords Tod ging der Besitz an Robert Bamford-Hesketh und seine Frau Ellen Jones-Bateman über. Ihnen war vor allem die Gestaltung des Parks ein Anliegen. Sie pflanzten einen Großteil der heutigen Gärten mit ihren riesigen Affenpuzzles und Eiben. 
Aufgrund von Erbschaft bzw. Heirat waren die Earls of Dundonald die nächsten Besitzer von Schloss Gwrych: Winifred, das einzig überlebende Kind von Robert Bamford-Hesketh heiratete den 12. Earl of Dundonald, der später während des Burenkrieges internationale Führung erlangte. 

Wer spukt auf Schloss Gwrych?

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In diesem Turm soll die Gräfin des nächtens spuken © Gail Johnson/shutterstock

Die Gräfin von Dundonald war eine besonders wichtige Person für die Geschichte von Gwrych Castle und eine bedeutende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Während ihr Gatte lieber im schottischen Norden verweilte, war sie selbst eng mit Wales und dem Schloss Gwrych verbunden. Winifred war eine wichtige Förderin der walisischen Kunst, Musik und Literatur, sie spielte selbst ausgezeichnet Harfe, wofür sie sogar mit einem Preis bedacht wurde. Auch einige Schriftstücke sind erhalten. Außerdem gründete sie auf eigene Kosten zwei Militärkrankenhäuser, die zur Behandlung von Patienten aus aller Welt. Die Gräfin setzte sich auch für die Rechte der Frauen ein und war insgesamt eine leidenschaftliche Fürsprecherin ihres Landes.
Manche Stimmen behaupten, dass die Gräfin so mit ihrem Land und Anwesen verbunden war, dass sie dieses nach ihrem Tod im Jahr 1924 nicht verlassen konnte und seitdem als Geist im Schloss unterwegs ist. Besucher des Anwesens, das heute im Besitz des Trust ist, berichten von Begegnungen mit der Gräfin – aber auch mit ihrem verstorbenen Mann, der ihr nicht immer gut gesinnt gewesen sein soll. Die Wahrscheinlichkeit, Winifred als Geist anzutreffen, soll im Countess's Tower (im Turm der Gräfin), der sich im Garten befindet, am größten sein. Manchen Besuchern soll auch der Geist eines armen Milchmädchens, eines Wildhüters und anderer Bediensteter begegnet sein. 

Vom Kinderheim zum Opernzentrum – bewegte Jahre auf Gwrych Castle

Während des 2. Weltkrieges erhob die Britische Regierung Anspruch auf das Schloss und beschlagnahmte den Besitz – hier wurden etwa 200 jüdische Kinder untergebracht, die aus Deutschland geflohen waren.
Kurz nach Kriegsende, im Jahr 1946 verkaufte die Familie Dundonald das Schloss. 20 Jahre lang wurde es dann von Leslie Salts als „Showplace of Wales“ vermarktet. 1968 verkaufte auch Salts wieder und Gwrych Castle wurde fortan als mittelalterliches Unterhaltungszentrum mit Turnieren, Banketten und Märkten auf dem Gelände betrieben. Damals ging es mit dem Schloss trotzdem eher bergab als bergauf. 1985 wurde das Gebäude für die Öffentlichkeit geschlossen wurde und zwei Jahre später fand dort das letzte Turnier statt.
1990 ging das Schloss schließlich in amerikanischen Besitz über – ein Opernzentrum samt Luxushotel sollte entstehen. Die Pläne lösten sich allerdings in Luft auf.
1996 gründete Mark Baker im zarten Alter von nur 12 Jahren den Gwrych Castle Preservation Trust zur Erhaltung des Anwesens. Im Jahr 2006 gab es erneut Pläne, das Schloss in ein Luxushotel umzugestalten und damit zu erhalten – diesmal kam aber die weltweite Bankenkrise dazwischen.

Auf Geisterjagd im Spukschloss

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Wer sich traut, kann bei einer Geisterjagd auf dem Anwesen mitmachen © Natural Earth Imagery/shutterstock


So ging es unruhig weiter mit Gwrych Castle, bis es schließlich 2018 versteigert wurde. Durch die Intervention des National Heritage Memorial Fund und des Richard Broyd Charitable Trust wurde das Schloss im Auftrag des Landes dann vom Gwrych Castle Preservation Trust gekauft.
Ziel des Trustes ist es, das historische, architektonische und bauliche Erbe, das in und um Gwrych Castle besteht, zum Wohle der Menschen in Nordwales und der Nation zu bewahren. Das Schloss wurde in diesem Zuge der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und kann besichtigt werden. Wer sich traut, kann im Rahmen einer nächtlichen Geisterjagd auf die Suche nach Gräfin Winifred oder dem armen Milchmädchen gehen!