Neuseeland – am schönsten Ende der Welt

Ein Artikel von REISEN Magazin/Helmut Pirc | 05.10.2021 - 11:05
shutterstock_336763478.jpg

Neuseeland ist ein beliebtes Reiseziel für Europäer © Olga Danylenko/Shutterstock

Wer nach Neuseeland reist, sollte sich Zeit nehmen. Einerseits befindet sich das aus der Nord- und Südinsel bestehende Land am anderen Ende der Welt und deshalb ist schon die Anreise zeitaufwändig. Andererseits bietet die Insel so viel Interessantes, dass man genügend Zeit einplanen sollte, damit man die Schönheiten des Landes entdecken kann.
Die Frage, welche der beiden Inseln die interessantere ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. Die Nordinsel hat das angenehmere Klima mit ozeanischem Einfluss, wobei der äußerste Norden sogar subtropische Verhältnisse aufweist. Dafür wohnen hier etwa zwei Drittel aller Neuseeländer, was sich auf die natürlichen Lebensräume ausgewirkt hat. Die Urwälder wurden weitgehend gerodet und in Plantagen und Weideflächen umgewandelt. Hier gibt es nur mehr wenige Nationalparks und Naturschutzgebiete, die den stark bedrohten Tier- und Pflanzenarten als letzte Zufluchtsstätte dienen.
Die wesentlich dünner besiedelte Südinsel verführt durch ihre ursprüngliche und unverfälschte Natur. Sie besticht durch ihre ausgedehnten Südbuchenwälder, hohen Berge und Gletscher sowie den beinahe unberührten Fjorden, die als „Sounds“ bezeichnet werden.

Heiße Quellen in Gold und Silber

shutterstock_1279458607.jpg

Dieser Torbogen befindet sich nahe der Stadt Hahei © RomanSlavik.com/Shutterstock

Unsere Reise startet in der Millionenstadt Auckland auf der Nordinsel. In dieser Stadt sollte man sich einen Überblick von der Plattform des 328 m hohen Sky Towers gönnen, der 1997 eröffnet wurde und das höchste Gebäude der Südhalbkugel ist. Ein Abstecher führt uns ans Nord­ende der Insel, wo sich der bedeutendste Kauriwald mit riesigen, bis 50 m hohen und mehr als 2.000 Jahre alten Bäumen befindet. Zurück über Auckland geht es östlich zur Coromandel-Halbinsel. Der Ort Hahei zeichnet sich durch malerische Strände aus, die Anziehungspunkt für die Bewohner Aucklands und Touristen sind. Am Strand gibt es heiße Quellen, man braucht sich nur eine Mulde im Sand graben und kann sogleich im warmen Wasser ein Bad nehmen. Hier steht auch das Wahrzeichen der Nordinsel: Brandung und Wellen haben einen gigantischen Torbogen aus dem Gestein gewaschen.
Von Hahei aus ist es nicht weit nach Rotorua und dem Waiotapu Thermal Reserve mit den farbenprächtigen und kontrastreichen vulkanischen Naturwundern. Beim Rundgang passiert man brodelnde Schlammtümpel und erloschene Vulkankrater mit gelben, giftgrünen und orange leuchtenden Seen. Spukende Geysire wie der „Lady Knox Geysir“ zeugen von aktiver vulkanischer Aktivität, überall dampft es, und nach Schwefel stinkender Nebel zieht sich durch das Gebiet. Am meisten fasziniert der Champagne Pool: Seine Quelle befindet sich in 60 m Tiefe, der darüber liegende 4.000 m2 große See ist mit 74 °C heißem Wasser gefüllt. Seine Randbereiche leuchten in orangeroten Farbtönen, eine Folge des mineralhaltigen Wassers, das Gold, Silber, Antimon, Schwefel, Arsen und Quecksilber enthält. Aus der Tiefe steigen laufend Perlen aus Kohlendioxid auf, deshalb auch der Name „Champagne Pool“. Rotorua war zu Beginn des 20. Jh. ein bekannter Bade- und Kurort. Das ehemalige Badehaus aus 1908 im Tudor-Stil ist heute ein Museum. Diese Stadt ist auch ein Zentrum der Maori-Kultur, hier allerdings ziemlich touristisch kommerzialisiert. 

„Ngauruhoe“ – Sitz der Götter

shutterstock_1107784001.jpg

Der Berg Ngauruhoe ist als Sitz der Götter bekannt © Sebastian93/Shutterstock

Als nächstes Ziel steuern wir den Tongariro Nationalpark an. Dieser Park war der erste Nationalpark in Neuseeland und ist der viertälteste weltweit. Das Zentrum bildet die Vulkanlandschaft mit drei aktiven Vulkanen, brodelnden Kratern und giftgrünen Seen. Die Maori betrachten den „Ngauruhoe“ als Sitz der Götter. Es gibt gute Wandermöglichkeiten von einer eintägigen Tongariro-Überquerung bis hin zu ausgedehnten mehrtägigen Wanderungen im Gebiet. Die beiden anderen Nationalparks Whanganui NP und Te Urewera NP mit ihren Primärurwäldern müssen wir leider links liegen lassen, weil wir uns die großen Nationalparks auf der Südinsel nicht entgehen lassen wollen.  Die Fahrt geht weiter südwärts nach Wellington, der Hauptstadt Neuseelands, von wo die Fähre auf die Südinsel übersetzt. 
Nachdem wir die malerischen Marlborough Sounds durchquert haben, erreichen wir den Hafen von Picton auf der Südinsel. Für diese sollte man zumindest drei bis vier Wochen einplanen. In der Gegend von Blenheim befinden sich die riesigen Weinanbaugebiete Neuseelands, auch die Kiwis (gemeint sind hier die Früchte, nicht der Vogel Kiwi) werden in dieser Region in Plantagen kultiviert. An der Küstenstraße im Osten der Insel passiert man Kaikoura. Hier gibt es die Möglichkeit, Wale zu beobachten, mit Delfinen zu schwimmen und Mutige können sogar mit Haien (allerdings in einem sicheren Käfig) schwimmen. Wir erreichen Christchurch, eine der bekanntesten Städte Neuseelands, die allerdings nicht die Hauptstadt ist. Leider wurde diese schöne stark englisch geprägte Stadt mit ihrer großen anglikanischen Kirche beim letzten Erdbeben stark beschädigt.
Auf der weiteren Fahrt Richtung Süden geht es durch saftig grüne Weidelandschaften. Zwischen Omaru und Dunedin sollte man unbedingt einen Stopp einlegen. Hier bei Moeraki liegen an der Küste sogenannte Riesenmurmeln – eine einzigartige Ansammlung von unterschiedlich großen, bis zu sieben Tonnen schweren Steinkugeln. Dunedin ist die flächenmäßig zweitgrößte Stadt Neuseelands. Sie ist schottisch geprägt, Universitätsstadt und beherbergt das einzige schottische Schloss Neuseelands. Das bekannteste historische Gebäude ist aber die 1906 als Repräsentationsbau errichtete Dunedin Railway Station. 
Die lieblichen Catlins liegen schon sehr weit südlich. In dieser kontrastreichen Küstenlandschaft liegen beeindruckende Felsklippen, wunderschöne Sandbuchten und kleine Reliktwälder versteckt.
An den Küsten kann man mit etwas Glück den Neuseeländischen Seelöwen und den Südlichen Seeelefanten beobachten. Die großen Neuseeländischen Seebären bestaunen wir am Sandstrand der Cannibal Bay aus nächster Nähe. Auch die wunderbar verträumten Wasserfälle sollte man nicht versäumen, z. B. die Parakaunui Falls. Ein Muss ist der Nugget Point mit seinem exponierten Lighthouse aus dem Jahre 1870. Von hier aus hat man einen atemberaubenden Rundblick.

Fjordland Nationalpark: Neuseelands größter Nationalpark

shutterstock_1019010358.jpg

Milford Sound im Fjordland Nationalpark © Blue Planet Studio/Shutterstock

Durchquert man die Südinsel nun in Richtung Westen, ändert sich die Landschaft dramatisch. Wir befinden uns in einem der niederschlagsreichsten Gebiete der Erde. An einem einzigen Tag können hier bis zu 500 mm Regen fallen, die durchschnittliche Regenmenge beträgt 7.000 mm, an der Westseite der Gipfel können es sogar 12.000 mm sein. Der Fjordland Nationalpark ist mit seinen 1.260.000 ha der größte Nationalpark Neuseelands. Der hier liegende Milford Sound mit dem 1.692 m hohen Mitre Peak zählt zu den bekanntesten Naturattraktionen Neuseelands. Es ist eine archaische Wildnis mit atemberaubenden Landschaften, Regenwäldern und Wasserfällen. Für den Naturliebhaber erschließt sich das Gebiet über ein 500 km langes Wegenetz, als Beispiel sei hier der weltbekannte Milford Track genannt.  
Als Ausgangspunkt für den Fjordland NP bietet sich das malerische Te Anau an. Die Stadt liegt am Westufer des 400 m tiefen Lake Te Anau. Von hier aus lassen sich zahlreiche Touren organisieren. Wer sich den doch etwas größeren Trubel am Milford Sound ersparen möchte, kann getrost den mindestens genauso spektakulären Doubtful Sound besichtigen. Dazu fährt man zuerst mit einem Schiff über den Lake Manapouri, mit einem Bus wird man dann über den steilen Wilmot Pass gebracht und steigt am Ufer des Doubtful Sounds wieder in ein größeres Boot. Dieses durchfährt den Fjord mit seinen extrem steilen Berghängen, die oft mit undurchdringlichem Urwald bedeckt sind. Teilweise sind sie aber kahl, weil die Felsen so steil sind, dass sich kaum eine Vegetation bilden kann. Die Wanderungen von Te Anau ausgehend führen durch üppig grüne Südbuchenwälder mit Farnen, Moosen und Flechten, vorbei an wildromantischen Flüssen und Seen. 

Die Palatschinkenberge des Paparoa-Nationalparks

shutterstock_552322174.jpg

Die Pancake Rocks ähneln einem Berg Palatschinken © Ivo Antonie de Rooij/Shutterstock

Den nächsten Höhepunkt bietet Richtung Norden der Westland Nationalpark mit eisbedeckten Hochgebirgslandschaften und dichten Regenwäldern. Die Gletscherzunge des Franz Josefs-Gletschers reicht bis an die Regenwälder in Küstennähe. Dahinter erstrecken sich gleich mehrere über 3.000 m hohe schneebedeckte Berge. Der Paparoa-Nationalpark fasziniert durch seine einzigartige Karstlandschaft mit üppigen Regenwäldern. Es gibt versteckte Kalksteinhöhlen und die berühmten Pancake Rocks bei Punakaki sind weit über die Grenzen Neuseelands hinaus bekannt. Diese eigenartigen palatschinkenartigen Felsformationen sind Erosionsgebilde, sie haben sich aus 30 Millionen Jahre alten Sedimenten durch die Einwirkung von Regen, Wind und dem salzhaltigen Meerwasser herausgebildet.
Landeinwärts wachsen aber Tieflandregenwälder, deren Wert man aufgrund der außerordentlich reichen Pflanzenvielfalt erst seit kurzer Zeit so richtig schätzen lernte.
Den würdigen Abschluss jeder Neuseeland-Reise bildet der Abel Tasman Nationalpark. Er besteht aus einer grandiosen Küstenlandschaft mit goldgelben Sandstränden und jadegrünen Badebuchten. Als Naturliebhaber sollte man ihn auf dem Abel Tasman Track erkunden: Man benötigt für die 50 km lange Strecke drei bis fünf Tage. Dabei durchwandert man sämtliche Buchten. Allerdings ist von einer Begehung dieses beliebten Tracks im Sommer abzuraten, denn er wird pro Jahr von etwa 20.000 Wanderern aus aller Welt begangen.