Japan: Im Tal der Puppen

Ein Artikel von REISEN-Magazin | 21.09.2023 - 09:22
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Die Puppen sitzen verstreut über den Ort – im Buswartehäuschen, an der Tankstelle oder vor der Schule © retirementbonus/Shutterstock

Viele Dörfer Japans sind verlassen. Die sinkende Geburtenrate und die Überalterung bewirken einen kontinuierlichen Bevölkerungsrückgang in dem Inselstaat.  Arbeitsplätze gehen verloren, junge Menschen ziehen in die Städte und irgendwann schließen sukzessive die Geschäfte und Schulen – das ist der typische Prozess, den auch das Dorf Nagoro, tief in den Bergen im Süden Japans, auf der Insel Shikoku durchleben musste.

Eine Puppe für jeden fehlenden Bewohner

Einst lebten hunderte Familien dort und das Dorf war erfüllt mit Leben. Heute sind es nur noch wenige verbliebene Menschen, die das verlassene Gebiet bevölkern. Dass ihr Dorf leer und vereinsamt ist, wollte die mittlerweile 73-jährige Japanerin Tsukimi Ayano aber nicht hinnehmen. Sie hatte einige Jahre in Osaka, der drittgrößten Stadt Japans, verbracht, bevor sie in ihren Geburtsort Nagoro zurückkam und feststellen musste, dass die Bevölkerung von rund 300 Bewohnern auf nur 35 geschrumpft war. Deshalb fing sie an – zu Anfang noch als Vogelscheuchen für ihre Gemüsebeete –, für jeden Dorfbewohner, der verstarb oder aus Nagoro wegzog, eine lebensgroße Puppe anzufertigen, um die Erinnerungen am Leben zu erhalten. 

Heute bevölkern rund 350 Puppen das Bergdorf Nagoro, also deutlich mehr als es dort noch Bewohner gibt. Nicht nur in den Straßen, Häusern, am Fluss und sogar in den Bäumen sitzen die stoffenen Ebenbilder der Bewohner bei alltäglichen Tätigkeiten – auch die Schule, die vor wenigen Jahren ihre Pforten schloss, hat nun dutzende Puppen-Schüler. Dank eines Berichts des Fotografen Fritz Schuhmann, der das Tal der Puppen „entdeckte“ und bekannt machte, hat Nagoro zumindest wieder einen Tourismusaufschwung erlebt – vielleicht kommen damit ja auch wieder einige lebendigere Dorfbewohner nach Nagoro zurück.