Die dunkle Winterschwarte der Wildschweine sammelt die Sonnenwärme und besteht unter den steifen Borsten aus dichtem, wärmendem Unterhaar. In der grauen Winterdecke der Rehe ist Luft eingelagert, die zusätzlich zum Fell isoliert. Äußere Körperpartien des Rotwildes werden zum Energiesparen weniger durchblutet als das Körperinnere. Der Stoffwechsel, also auch Herzschlag und Atmung sind deutlich reduziert, die Bewegungen werden auf das nötigste eingeschränkt, um die im Herbst angereicherten kräftigen Fettreserven so sparsam wie möglich zu verwerten.
Eine tolle Strategie unseres Wildes, um durch die harte Zeit des Winters zu kommen. Dieses ausgeklügelte Energiekonzept von Mutter Natur hat nur einen Haken, und zwar dann, wenn unsere Spassgesellschaft zuschlägt. Schon bei geringster Beunruhigung durch TourengeherInnen wird nämlich beim Wild das beschriebene „Standby-System“ blitzartig auf Alarmmodus mit Maximalenergieverbrauch hochgefahren, um zu flüchten - oft mit letalen Auswirkungen. Weder Fettreserven noch das Nahrungsangebot reichen für das wiederholte Abrufen dieses Fluchtprogramms über den gesamten Winter aus - die „Stücke“ verhungern und/oder erfrieren daher nicht selten in Folge oftmaliger Ruhestörung.
Die Verursacher solcher Dramen handeln aber nicht vorsätzlich oder gar böswillig, sondern oft aus purer Unwissenheit. Das hochsensible Wild ist nämlich, meist schon lange bevor die WintersportlerInnen dessen Anwesenheit überhaupt hätten wahrnehmen können, in Panik „abgesprungen“.
Auch das Problem des durch Stahlkanten abgemähten Jungwaldes ist altbekannt und treibt den FörsterInnen bisweilen die Zornesröte ins Gesicht. Der Ruf nach radikalen Betretungsverboten in alpinen Aufforstungsgebieten unter Strafandrohung wird nicht selten laut.
In den Österreichischen Naturparken ist man seit einiger Zeit bemüht, diese Probleme anders zu lösen. Nach dem Naturpark-Prinzip die Natur nicht vor sondern mit den Menschen zu schützen, ist man hier um einen Interessensausgleich bemüht.
Das Schlagwort lautet Besucherlenkung, eine Idee, die schon seit Jahren auch im Naturpark-Verein Sölktäler (Stmk.) überaus erfolgreich umgesetzt wird.
Mit Februar 2012 hat man auch im Tiroler Naturpark Karvendel diesen Weg eingeschlagen. Ein Gemeinschaftsprojekt unter Mitwirkung von Österreichischem und Deutschem Alpenverein, den Österreichischen Bundesforsten und der Jägerschaft ist entstanden, das auf drei Säulen aufbaut.
1.) Attraktivierung der „Alten Routen“:
Um die TourengeherInnen von den sensiblen Jungwaldflächen und Wildeinständen wieder auf die früheren Standardrouten zu lenken.
2.) Information im Gelände:
An den Tourenstartpunkten und weiteren wichtigen Standorten wurden Informationstafeln errichtet. Sie sensibilisieren TourengeherInnen für die richtige Routenwahl und enthalten Informationen zum Thema „Wald & Wild im Winter“ sowie Sicherheitshinweise. Daneben markieren kleine Wegweiser an kritischen Punkten den jeweiligen naturverträglichen Routenverlauf.
3.) Informationen für die Tourenplanung:
Eine Broschüre vertieft die Inhalte der Tafeln mit Informationen zum Naturpark Karwendel, Verhaltensregeln sowie wichtigen Kontaktdaten und Links. Der Folder steht den TourengeherInnen vor Ort (Informationstafeln/lokale Gastronomie) zur Verfügung und kann bei allen beteiligten Partnern kostenlos bestellt werden.
Der Erfolg ist durchschlagend: „Das umgesetzte Gemeinschaftsprojekt belegt jetzt schon eindrucksvoll, dass Fragen der Besucherlenkung auch in Schutzgebieten ohne Verbote und Sperrgebiete gelöst werden können“, ist Hermann Sonntag, Geschäftsführer des Naturparks Karvendel, begeistert; „unsere Partner erkennen stattdessen in der Freiwilligkeit und dem Verantwortungsbewusstsein der Tourengeher den Schlüssel für ein gutes Miteinander im Naturraum“.
Besucherlenkung in den Österreichischen Naturparken, ein Projekt mit Vorbildwirkung - Wild und Wald danken es jetzt schon!