Kraftort St. Michael's Mount 

Ein Artikel von REISEN-Magazin/Gerda Walton | 19.06.2020 - 10:38
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Ebbe und Flut bestimmen über die Zugänglichkeit des St. Michael's Mount © Valery Egorov/shutterstock

Viele der Kraftorte in Cornwall können nur zu Fuß erwandert werden, wie beispielsweise St. Nectan’s Glen oder die zahlreichen, oft sehr versteckt liegenden Steinkreise und Steinsetzungen. Auf keinen Fall auslassen darf man aber den im Spiel der Gezeiten liegenden legendären St. Michael’s Mount.

Mount – der graue Felsen im Wald

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Die Energielinie „St. Michael‘s Line“ beginnt angeblich hier in Cornwall © Jim Wearne/shutterstock

Als hätten ihn Riesen beim Spielen am Strand versehentlich fallen gelassen, liegt der 366 m hohe Granitfelsen des „Mount“, wie ihn die Einheimischen nennen, ausgesprochen dekorativ inmitten der flachen, sandigen Bucht von Penzance. Im ewigen Wechsel von Ebbe und Flut trennt ihn das Meer zweimal täglich vom Festland und gibt ihn im gleichen Rhythmus wieder für einige Stunden frei. So können die zahlreichen Besucher über den gut 300 m langen und von unzähligen Füßen ausgetretenen historischen „causeway“, vorbei an mit glitschigen grünen Algen und braunem Tang übersäten Tümpeln, trockenen Fußes auf den legendären Berg „An Garrek Los y’n Cos“, den „grauen Felsen im Wald“ gelangen, wie man ihn früher in der alten cornischen Sprache bezeichnete.
Rings um den Berg soll es früher tatsächlich einen Wald gegeben haben, dessen Überreste in Ausgrabungen unter Wasser entdeckt wurden. Eine der unzähligen Legenden rund um den Mount berichtet auch, dass er ein Überrest des sagenhaften Landes Lyonesse sei, das sich bis zu den Scilly Islands erstreckt haben soll.

Von englischen Kreuzrittern und Heiligenerscheinungen

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Mount beherbergt heute noch gut sichtbare Bunkerstellungen aus dem Zweiten Weltkrieg © Charlesy/shutterstock

Die Geschichte des romantischen, winzigen Felseilandes, das vor der Südküste von Cornwall aus den Brandungswellen ragt, ist uralt und reich an Sagen, aber auch an verbrieften historischen Ereignissen:
So soll Joseph von Arimathäa, der Onkel von Jesus, hier mit dem heiligen Gral an Land gegangen sein und damit den Ursprung zu unzähligen Artus- und Gralslegenden gelegt haben. Im Jahr 495 erschien der Heilige Michael einer Gruppe von Fischern, was zur Gründung eines kleinen keltischen Klosters auf der Insel führte. Sogar ein Riese Cormoran kommt in den Erzählungen vor.
Wenn man die sichtlich uralten „pilgrim steps“ hinauf zum Eingang des heutigen Schlosses mühsam erklimmt, scheinen sie einem wirklich für weit größere Lebewesen, als wir es sind, gemacht. Edward der Bekenner ließ hier die erste Kirche errichten, aus der in Folge eine Benediktinerabtei entstand, deren Äbte einen langen Zeitraum hinweg vom normannischen Kloster Mont St. Michel entsandt wurden. Seine einzigartige strategische Lage ließ eine friedliche Nutzung allerdings nicht lange zu und so war der Berg während der ständig wechselnden Machtverhältnisse der englischen Geschichte abwechselnd in der Hand von Königen oder Rebellen, Treffpunkt englischer Kreuzritter um Richard Löwenherz, Feuersignalberg zur Zeit der Bedrohung durch die spanische Armada, Waffenversteck der Königstreuen während des Civil War und beherbergt heute noch gut sichtbare Bunkerstellungen aus dem Zweiten Weltkrieg, als man nach der Besetzung der Kanalinseln auch eine Invasion Englands  befürchtete. Über 300 Jahre war das Schloss Wohnort der Familie St. Aubyn, die das markante Bauwerk 1964 dem National Trust übereignete, der seither vorbildlich für dessen kostspielige Erhaltung sorgt.
Während der vergangenen Jahre wurden Unsummen in eine groß angelegte Renovierung gesteckt, die auch den sich zu Füßen des Schlosses ausbreitenden Klippengarten mit einschloss. 

Am Anfang der Energielinie

Nunmehr sind wieder alle Teile des Schlosses zu besichtigen und seit einigen Jahren kommen mehr und mehr Esoteriker auf den Mount, da Anhänger der Geomantie entdeckt zu haben glauben, dass eine der sich als Kraft- und Energielinien durch England ziehenden Ley Lines am St. Michael‘s Mount ihren Anfang nimmt und haben ihr sogar die Bezeichnung „St. Michael‘s Line“ verliehen.
Wenn Sie daran glauben, können Sie ja den Versuch machen und sich in der Mitte der kleinen Schlosskapelle  auf eine der Bänke rechts vom Mittelgang setzen, die energetisch besonders hoch geladen sein sollen.
Aber auch Nicht- Esoteriker werden angesichts der einzigartigen Rundumaussicht von der von martialischen Burgzinnen umgebenen und von köstlicher Meeresluft umwehten Dachterrasse des Schlosses einen Energieschub erleben, den man allerdings auch benötigt, wenn man den zuerst nur anhand zahlreicher Farbtupfer zu identifizierenden Klippengarten, der sich rund um den Fuß des Schlosses bis ans Meer erstreckt, aus der Nähe betrachten will. 

Bergtour in den exotischen Garten

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Im Garten des Schlosses ist Höhenangst fehl am Platz © Alexander Jung/shutterstock

Um diesen steilen Garten mit interessanten Pflanzen aus aller Welt zu besichtigen, mit dessen Anlage erst im Jahr 1987 begonnen wurde, muss man eine kleine Bergtour in Kauf nehmen und sollte nach Möglichkeit auch schwindelfrei sein, aber man bewegt sich ja im Schutz des Heiligen Michaels, dessen Heiligtümer sich bekanntermaßen immer auf Bergen befinden.
Dass die zum Teil sehr exotisch anmutende Botanik dieses Gartens, die sich in unglaublicher Fülle über den fast senkrechten Felshang ausbreitet, ausschließlich aus Kletter- und Hungerkünstlern bestehen muss, wird einem rasch klar. Nicht nur im Herbst und Winter peitschen orkanartige Stürme salzige Böen über die vorwiegend subtropische Vegetation und die botanischen Leckerbissen, die sonst kaum irgendwo in Großbritannien im Freien vorkommen. Der hohe Jod- und Salzgehalt der Luft, der mir immer sehr belebend vorkommt, macht die Pflanzenauswahl schwierig. Zudem müssen im Sommer auch längere Hitze- und Trockenperioden ausgestanden werden, was die intensive Verwendung von südafrikanischer Vegetation und Pflanzen des Mittelmeer- Raumes erklärt. Auf wunderbare Weise sorgt der Golfstrom dafür, dass es rund um Cornwall nur einen äußerst milden Winterverlauf mit einer Durchschnittstemperatur von 7 bis 8 °C gibt, auch wenn es ab und zu einmal einen „Katastrophenwinter“ mit leichten Minusgraden zu überstehen gilt.

Wenn einen der Mount mit seinen steilen Treppen auch ziemlich in Atem hält, ab und zu sollte man doch tunlichst einen Blick hinüber zum Fußweg riskieren und nicht darauf vergessen, dass der Berg alle sechs Stunden zur Insel wird. Aber dann warten im kleinen Hafen bereits Cornwalls berühmte „fishermen“ mit ihren Booten und freuen sich, dass jetzt sie an der Reihe sind, ein bisschen Geld mit den vielen Besuchern zu verdienen.