Eine schellende Liebeserklärung

Ein Artikel von Sebastian Hirzer | 10.09.2018 - 10:56
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Almabtrieb im Bregenzer Wald © Sebastian Hirzer

„Heut' fahren wir unregelmäßiger als gewohnt, denn heute ist der Tag der Tage. Heute kommen unsere "Wiesendamen" aus dem Urlaub zurück!“, lässt uns der Busfahrer wissen, um auf die stattfindenden Almabtriebe in der ganzen Region aufmerksam zu machen. Auf eine solch’ wertschätzende Selbstverständlichkeit, die mit dieser liebevollen Botschaft mitschwingt, sollen wir heute noch öfters stoßen. Bereits am frühen Morgen haftet dem Tag eine mitreißende Schönheit an, die beides – geplant und natürlich – wirkt. Nicht umsonst also entsteht rasch der Eindruck, dass sich wirklich jeder, von Frau Holle bis zum kleinsten Kalb, speziell für diesen Tag in Schale geworfen hat.

Viele Stunden der Vorbereitung hat es den Bauern gekostet, um für ihre Wiesendamen den prächtigen Schmuck zu gestalten, ihnen diesen anzulegen und ihn für den letzten Tanz des Sommers zurechtzurücken. Wer einen Schritt zurücktritt, sieht ein farbenprächtiges und schellendes Spektakel zu Ehren der Tiere. Und wer es ein wenig anders macht und einen Schritt nach vorne wagt, der erkennt einen Sommer auf der Alm, der diesen Tieren genau jenes Leben ermöglicht, das sie für eine nachhaltige und faire Produktion brauchen. So lauscht man beispielsweise dem sichtlich stolzen Bauern „Franz“ (und wer außer seine Kühe und er selbst wissen in diesem Moment schon, was sie heuer alles erlebt haben), wenn er seiner Kuh „Karla“ unmittelbar vor dem großen Showdown nochmals „Küss die Hufe, schöne Dame“ zuflüstert. Anschließend bittet er sie zum Tanz ins Tal und der aufmerksame Beobachter erkennt, dass „Karla“ selbst dieses Prozedere sehr wohl bereits kennt. Wissend, dass sie gleich ihren wunderschönen Almurlaub mit vollster Zufriedenheit und Glückseligkeit beenden wird, strotzt sie nur so vor Selbstvertrauen, schnauft einmal ordentlich durch und setzt zum Tanz an.

Nicht selten folgt dann gar ein majestätischer Galopp in der Herde, der von fröhlichen Bauernfamilien angeführt und mit glänzenden Augen an den Straßen bewundert wird. Dieser schellende Tanz bringt die Kühe schließlich direkt von der Alm in den Ort, wo die festliche Stimmung in der Zwischenzeit an ihrem Höhepunkt angelangt ist. Ganz nach dem Motto „Geht es den Tieren gut, geht es uns allen gut“ wird der nachhaltige Prozess regionaler Produktion gelebt und gefeiert. Und wir, die in dieses ganze Geschehen doch ein wenig zufällig geraten sind, wollen fortan keinen Sommer mehr ohne diesem wunderbaren Fest beenden und beschließen, was die wichtigste Erkenntnis des Tages ist, zukünftig noch bewusster zu regionalen Produkten zu greifen, um auch ein Teil dieses schönen Prozesses zu sein.