Das schwere Los der Kerntragerweiber

Ein Artikel von REISEN-Magazin/Christiane Bartal | 03.11.2020 - 11:52
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Zwischen 1750 und 1890 gab es sogenannten „Kerntragerweiber“ in Hallstatt © kneiane/shutterstock

Salz wurde in Hallstatt nicht nur in Wasser gelöst als Sole gewonnen, sondern auch in fester Form als Steinsalz. Das direkt aus dem Gestein gebrochene „Kernsalz“ findet damals wie heute als Lecksalz für das Wild (einst in großen Mengen für die kaiserliche Jagd und Klöster) bzw. das Vieh Verwendung.

Schwere Frauenarbeit für ein paar Kreuzer und einen Laib Brot

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Die letzten beiden Hallstätter Kerntragerweiber (Fotografie von Dr. Friedrich Morton, nachgestellte Szene aus dem Jahr 1925)

Man trieb Stollen in den Berg und holte das Salz in großen Brocken aus der Tiefe. Die Gewinnung des Salzes und dessen Abtransport war jedoch keineswegs reine Männerarbeit. Zwischen 1750 und 1890 gab es sogenannten „Kerntragerweiber“ in Hallstatt – das waren die Frauen der Bergknappen und Salinenarbeiter, die in Buckelkraxen (die vom Rücken bis über den Kopf reichten) das rohe Kernsalz vom Kaiserin-Katharina-Stollen oben am Berg 500 m tiefer zum Magazin auf dem Seegelände schleppten. „Die Steinsalzmengen, die ins Tal gebracht wurden, waren beträchtlich. So wurden um 1805 herum gegen 10.000 Zentner geliefert", schrieb einst Dr. Friedrich Morton (1890 –1969), Schriftsteller, Höhlenforscher und ab 1925 Kustos des Hallstätter Museums, in einer seiner Niederschriften. Vom Kernmagazinplatz wurde das Salz auf dem Hallstätter See in große Zillen verladen und über Traun und Donau bis nach Ungarn verschifft. Dort wurde das „Weiße Gold“ gegen Getreide und weitere Lebensmittel getauscht.
Zusätzlich zur Arbeit daheim am Hof, zur Hausarbeit und Kindererziehung mussten die Kerntragerweiber für ihren Beitrag zum Familieneinkommen sorgen, denn der karge Lohn ihrer Männer, die im Bergwerk oder im Sudhaus beschäftigt waren, reichte oft nicht aus. Trotz Arbeit war die Not groß – Reichtum bescherte das Salz nur den Salzherren.

Das Ende der Hallstätter Kerntragerweiber

Zweimal am Tag gingen die Frauen den Weg über steile, rutschige Passagen hinunter ins Tal – mit ihren bis zu 50 kg schweren „Kernkraxen“ und „Stachelstecken“, den damals landesüblichen Stöcken mit Eisenspitze. Sie gingen selbst, wenn sie hochschwanger waren. Die kleinen Kinder blieben alleine daheim und bekamen zur Beruhigung  ein „Schnapszutzerl“, einen in Branntweinfusel getränkten Lutscher. Nicht selten führte das bei den Kindern – in Kombination mit der Mangelernährung – zu geistigen und körperlichen Schäden. Um das Elend der unbeaufsichtigten Kinder zu mildern, gründete Erzherzogin Sophie im Jahre 1853 eine „Kleinkinder Bewahr- und Erziehungsanstalt“ in Hallstatt-Lahn, wo sich Ordensschwestern bis zum Eintritt in die Volksschule um den Dorfnachwuchs kümmerten.
1889 ließ die Salinenverwaltung den jahrhundertealten ausgetretenen Pfad im Zuge eines Beschäftigungsprogrammes für arbeitslose Salzarbeiter ausbauen. Ab dem Winter 1889/ 90 übernahmen dann Männer – die „Kernführer“ – die schwere Arbeit und brachten das Kernsalz mittels Schlitten auf teils halsbrecherische Weise ins Tal. Von Morton ist überliefert, wie die beiden Berufsgruppen erstmals aufeinandertrafen: „Als die Kerntragerweiber gerade mit ihren leeren Kraxen hinaufkeuchten, kamen die Kernführer so rasch daher, dass die Weiber entsetzt in den Schnee springen mussten. Erbittert riefen sie den höhnisch Lachenden 'Brotdiebe!' zu." Das war das Ende der Hallstätter Kerntragerweiber.

Andenken bei der „Kernbank”

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Die Gedenktafel, ein Ölbild des heimischen Künstlers Heinrich Kirchschlager, erinnert noch heute an die Hallstätter Kern­tragerweiber © Kristina Kugler

Eine Gedenktafel bei der ehemaligen „Kernbank“ am Dr.-Friedrich-Morton-Weg erinnert an das schwere Los der Kerntragerweiber. An jener Stelle am „Oberen Weg“, einem Nebenpfad des Salzbergweges, verschnauften die Frauen und entlasteten ihre Schultern, indem sie die Buckelkraxen auf eigens am Weg angebrachte Holzpfosten stellten.

Museum Hallstatt
Seestraße 56, 4830 Hallstatt
Tel. 06134 / 828015

Eine Zeitreise von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Zu sehen sind Exponate aus den verschiedensten Zeitabschnitten, u. a. spektakuläre Funde aus dem ältesten Salzbergwerk der Welt und die letzte „Kernkraxen”.
www.museum-hallstatt.at