Was verraten die Hieroglyphen auf Schönbrunns Obelisk?

Ein Artikel von Michaela Tebaldi | 01.02.2021 - 10:30
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Hat sich auf dem Obelisk eine geheime Bruderschaft verewigt? © H1N1/shutterstock

Die Sybillengrotte samt Obelisk befindt sich am Ende der östlichen Diagonalallee des Schlossgartens. Von hier aus hat man einen wunderschönen Blick auf das Schloss Schönbrunn. Oberhalb des künstlichen Felsens ragt der 31 m hohe Obelisk empor, der von vier goldenen Schildkröten geragen wird. An seinen vier Seiten befinden sich ägyptische Hieroglyphen, die angeblich von der Herrscherin Maria Theresia (sie regierte von 1740 bis 1780) erzählen sollen. Doch wie ist das möglich – sind die Hieroglyphen doch erst im Jahr 1822 entschlüsselt worden?

Symbole der Illuminaten auf dem Obelisk

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Wer kannte im 18. Jh. in Europa schon Hieroglyphen? © T.Karanitsch/shutterstock

Interessant ist, dass im Jahr 1802 – also 20 Jahre vor der Dechiffrierung der Hieroglyphen – ein Wiener Autor schrieb, die Zeichen auf dem Obelisken würden vom Leben der Kaiserin Maria Theresia berichten. Ein Jahrhundert später, um 1900 war nur mehr von Fantasiezeichen die Rede. Es ist gar nicht so lange her, dass diesem Rätsel auf den Grund gegangen wurde: Im Jahr 2005 beschäftigte sich die Ägyptologin Julia Budka mit den Schriftzeichen des Schönbrunner Obelisken und stellte dabei fest, dass es sich tatsächlich um ägyptische Hieroglyphen und Piktogramme handelt. Diese handeln wie geahnt vom Leben Maria Theresias. 
Wie konnte das sein, der Obelisk wurde ja bereits 1777, also ein halbes Jahrhundert vor der Entschlüsselung der Hieroglyphen, errichtet.
Im Jahr 1765 wurde Ferdinand von Hohenberg als Hofarchitekt Maria Theresias und künstlerischer Leiter des Schönbrunner Parks u. a. mit der Gestaltung der Gloriette, der Römischen Ruine und des Obelisken beauftragt. Bemerkenswert ist, dass in all diesen Werken die Zahlenmystik und Philosophie der Freimaurer und Illuminaten zu erkennen ist. Der Illuminatenorden wurde nur kurz vor der Errichtung des Obelisken, im Jahr 1776 vom Philosophen Adam Weishaupt in Ingolstadt/D gegründet. Es handelte sich dabei um einen Geheimorden (illuminati (lat.) = die Erleuchteten) nach dem Vorbild der Freimaurer. Sowohl die Freimaurer als auch die Illuminaten begründeten ihren Orden auf der „Weißen Bruderschaft“, ein Bund des alten Ägyptens. Ferdinand von Hohenberg war als Freimaurer und Illuminat wahrscheinlich in die ägyptische Kulte und Traditionen eingeweiht und kannte demnach auch die Hieroglyphen.
An der Westseite des Obelisken werden wichtige Ereignisse der Kaiserin dargestellt. Außerdem findet man auch universell verständliche Glyphen, wie die Zeichen für Sonne, Haus und Wasser. Auch die Symbolik der Freimaurer und Illuminaten ist hier verewigt – etwa durch die Eulen der Weisheit, die auf dem Dach sitzen.