Geschichtsträchtiger Judenplatz

Ein Artikel von Michaela Tebaldi | 21.04.2021 - 12:03
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Mahnmal am Judenplatz © trabantos/shutterstock

Der Judenplatz liegt im Herzen des 1. Wiener Gemeindebezirkes. Dort befindet sich das 2. Mahnmal, das an die Judenverfolgung erinnern soll. Das erste Denkmal, ein Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, findet man ebenfalls im 1. Bezirk. Es ist der „Straßenwaschende Jude“ vom Bildhauer Alfred Hrdlicka auf dem Albertina-Platz. Es wurde an einem Ort errichtet, an welchem ein gesamter Häuserblock durch Fliegerbomben zerstört wurde.

Für das Volk des Buches

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© Pfeiffer/shutterstock

Simon Wiesenthal, ein österreichisch-jüdischer Architekt, Publizist und Schriftsteller, regte 1994 die Errichtung eines eigenen Mahnmals für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa an. Der damalige Bürgermeister Michael Häupl gab grünes Licht. 
Eine internationale Jury unter dem Vorsitz des Architekten Hans Hollein wählte unter alles Entwürfen das Projekt der britischen Künstlerin Rachel Whiteread aus. Sie hat das Mahnmal als Stahlbetonkonstruktion gestaltet, die wie eine Bibliothek mit nach außen gewandten Bücherregalen wirkt. Jedes Buch gleicht dem anderen, es herrscht vollkommene Symmetrie. Die Künstlerin orientierte sich bei ihrer Arbeit an der Bezeichnung der Juden als „Volk des Buches“, was sie ausdrucksstark dargestellt hat. Die beiden Flügeltüren, die scheinbar in den Innenraum des Gebäudes führen, sind verschlossen und besitzen keine Türklinken. 
Rund um das Gebäude liegen Bodenplatten, auf denen die Name aller Orte eingraviert sind, wo die österreichische Juden während der NS-Herrschaft umgebracht worden sind. 

Gleich hinter dem Mahnmal befindet sich das Misrachi-Haus, das Teil des Ensembles zum Gedenken an die Geschichte der Juden in Wien ist. Hier sind ein Teil des Jüdischen Museums sowie das Jugendzentrum und die Synagoge der Misrachi-Gemeinde untergebracht. Im Erdgeschoß befindet sich ein Informationsbereich zur Schoah, der vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes eingerichtet worden ist. Namen und Daten der 65.000 Juden, die im Krieg ermordet worden sind, konnten hier dokumentiert werden.

Lessing-Denkmal

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Lessing-Denkmal © trabantos/shutterstock

Auf der anderen Seite des Judenplatzes befindet sich das Denkmal des Dichters Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781). er war ein wichtiger Vertreter der deutschen Aufklärung und setzte sich stets für die Tolerierung der Juden ein. Einer seiner engen Freunde war Moses Mendelsohn, ein jüdischer Aufklärer. Ihm setzte der Dichter ein Denkmal, indem er ihm die Titelfigur seines Werkes „Nathan der Weise“ widmete. 
Das Denkmal an Lessing (von Siegfried Charoux) wurde 1935 am Wiener Judenplatz aufgestellt, aber schon vier Jahre später von den Nationalsozialisten zerstört. 1968 schuf Charoux ein zweites Lessing-Denkmal, das zuerst am Wiener Morzinplatz aufgestellt wurde, um schließlich 1981 wieder an seinen ursprünglichen Bestimmungsort am Judenplatz zu kommen.