Die Recycling-Kathedrale Don Justos in Spanien

Ein Artikel von s.buehn | 20.02.2020 - 15:18
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Die Kathedrale hat mittlerweile eine Grundfläche von mehr als 8.000 m² und ist immer noch am wachsen © Zeemanp/wikimedia.org

Durch den sonst so verschlafenen, kleinen Vorort von Madrid, Mejorada, kommen immer mal wieder Touristen vorbei – Und sie haben ein bestimmtes Ziel: die Kathedrale von Justo Gallego. Um sie zu finden, muss man sich ein bisschen durchfragen bei den Dorfbewohnern, denn Schilder gibt es keine. Es ist ja auch nicht einmal eine „offizielle“ Kathedrale! Eine kirchliche Segnung erhielt sie nämlich (noch) nicht. Das Bauwerk entsteht quasi aus der reinen Willenskraft eines einzelnen Mannes: besagter Justo Gallego. 

Mittelloses, aber nicht aussichtslos

Seit mittlerweile mehr als 60 Jahren schon baut er an seinem Gottestempel und türmt dafür hauptsächlich Schrottmaterialien aus dem nahegelegenen Industriehalden auf. Auch alte Ölfässer, Farbeimer und allerhand Metallabfälle kommen zum Einsatz – Justo nimmt, was er kriegen kann. Denn das ganze Bauprojekt ist rein durch Spenden finanziert. Um sicherzustellen, dass es irgendwann auch fertiggestellt werden kann und in weiterer Folge auch stehen bleiben darf (Es liegt derzeit keine Baugenehmigung vor!), sowie Rechtskosten und Instandhaltung zu finanzieren, müsste schon entweder die Kirche selbst das Projekt fördern, oder aber ein riesiger privater Pool an Spendern sich zusammentun. Angesichts dieser Hürde und dem fortgeschrittenen Alter des Baumeisters – Justo Gallego ist bereits 93 – scheint es jedoch wahrscheinlicher, dass die Kathedrale trotz ihrer bereits riesigen Ausmaße nie fertiggestellt werden wird. Damit erleidet sie ein ähnliches Schicksal wie die Sagrada Familia, die für ihre Unvollständigkeit berühmte Kathedrale Spaniens.

Erlebnistourismus der anderen Art

In Spanien geht es eben gemütlicher zu, das weiß auch Justo zu schätzen, wenn er scherzt: „In Deutschland wäre mein Gotteshaus schon fertig, aber das ist das Gute an Spanien: Man kann sich Zeit lassen.“ Ob sein Lebenswerk auch nach seinem Tod, wie Gaudis Sagrada Familia, vollendet wird, steht in den Sternen. Es gibt jedoch vor allem mit steigendem Bekanntheitsgrad von Justos Geschichte immer wieder Helfer. Viele Nachbarn vor Ort helfen schon seit Jahren mit und legen Hand an, aber auch besagte Touristen kommen nicht nur, um sich von der fantasievollen Kathedrale beeindrucken zu lassen, sondern um auch selbst mitanzupacken und sich so im Gotteshaus zu verewigen.

Vom Mönch zum Architekten – Ein heiliger Pakt

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© JMPerez/wikimedia.org

Spricht man den Bauherrn auf seine Geschichte an, antwortet er nur ungern und grimmig. Mit leichtem Stolz in der Stimme gibt er nur kurz zu wissen: „Ich bin Architekt.“ Studiert oder gelernt hat die Dorfikone allerdings nichts in der Art. Tatsächlich war Justo Gallego immer schon sehr gottesfürchtig und träumte davon sein Leben als Priester der Kirche zu widmen. Eine Tuberkuloseerkrankung, die ihn als junger Mönch erfasste, durchkreuzte allerdings die Priester-Pläne. Justo soll zur Jungfrau Virgen de Pilar gebetet haben. Er bat um Heilung und versprach im Gegenzug eine Katherdrale als Zeichen seiner Ehrfurcht zu erbauen. So hat er ein anderes Ventil für seinen Willen Gott zu dienen für sich gefunden und begann sogleich auf dem Grundstück seiner Eltern mit dem Bauen. Als Inspiration zum Wahnsinns-Bau dienten ihm kurioserweise der Petersdom und das Weiße Haus. Eigentlich aber erinnert die Architektur, die, laut eigner Aussage, nur in Justos Kopf entstanden ist, aber eher an den schnörkeligen und fantasievollen Stil Antoni Gaudis.

Schrott trifft Verehrung

Die „Sagrada Familia“ des Industriemülls faszinierte sogar das Museum of Modern Art in New York, wo es eine Fotoausstellung zur Kathedrale gab. Typisch für viele verkannte Künstler: In der eigenen Heimat unverstanden und in Übersee gefeiert. Wir lieben jedenfalls die groteske Mischung aus Schrotthalde und Kirche und die mürrische Hingabe, mit der sich der Architekt seinem Lebenswerk widmet. „Werft etwas in die Spendenbox!“, ruft er einem noch zu, während er zwischen parkenden Schrottfahrzeugen in der Krypta verschwindet.

Ausschnitt aus der Doku "Die Baustelle des Herrn"