Die Steinklopfer

Ein Artikel von REISEN Magazin/Gerald Stiptschitsch | 19.07.2021 - 11:23
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Das Herz der Semmering­bahn bildet das imposante Viadukt über die Kalte Rinne © Gerald Stiptschitsch

Es war ein Jahrhundertprojekt: Eine Eisenbahnverbindung von Wien zur Adria. Der Semmeringpass ist eine wichtige Verbindung, die schon von den Römern benutzt wurde, um zur Provinz „Vindobona“ zu gelangen. Erzherzog Johann, einer der besten Eisenbahnfachmänner seiner Zeit sowie einflussreiche Triestiner Handelshäuser wollten, dass die wichtige Nord-Süd-Verbindung nicht über Ungarn, sondern in möglichst direkter Linie über den Semmering führt. Immerhin waren die Strecken Wien-Gloggnitz und Mürzzuschlag-Graz bereits fertiggestellt. Noch immer aber klaffte diese lästige Lücke am Semmering, bei der die Bahnreisenden mit ihrem Gepäck, aber auch alle Güter auf Pferdegespanne umgeladen und zur Anschlussstelle transportiert werden mussten.

Technische Meisterleistung

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Der Semmeringbahnwanderweg beginnt am Bhf. Semmering und bietet wunderschöne Ausblicke © Gerald Stiptschitsch

Mit der eigentlichen „Semmeringbahn“ wurde der Venezianer Carl Ritter von Ghega betraut, der zuvor den Streckenabschnitt bis Graz leitete. Aus den vielen Einreichungen, die im Rahmen eines Wettbewerbs einlangten, wurde schließlich jene verwirklicht, die sich in die Landschaft am besten einfügte – mit ein Grund, warum die Strecke 1998 die Auszeichnung UNESCO Weltkulturerbe erhielt. Die Strecke war damals eine technische Meisterleistung – und sie ist es auch heute noch. Dynamit und Gesteinsbohrmaschinen waren noch nicht erfunden. Tunnelbauten mussten von Hand bergmännisch vorangetrieben werden und waren äußerst risikoreich. Beim Bau verließ man sich in punkto Statik auf die überlieferte Proportionslehre, da es damals noch an Berechnungsmethoden fehlte. Nicht selten stürzten deshalb in ganz Europa Eisenbahnbrücken immer wieder ein. Umso mehr war der Plan der Semmeringbahn ein kühnes Unterfangen. Mühsam wurden Bohrlöcher mit Hammer und Meißel in den Berg geschlagen. Die Sprengung erfolgte mit Schwarzpulver. Bei Tunnelbauten, die über 300 m lang waren, hatte man in regelmäßigen Abständen Schächte bis zur Tunnelachse gegraben. Dadurch konnte der Bau an mehreren Stellen gleichzeitig in Angriff genommen werden. Außerdem wurde das Ausbruchsgestein über die Schächte abtransportiert und der Tunnel belüftet. 

Der Bau stellte eine nie zuvor erfolgte Herausforderung dar – mit Steigungsverhältnissen von bis zu 28 ‰. Ghega musste sich daher auch mit der Konstruktion von Lokomotiven befassen, die diese Steigungen von 457 m Höhenmeter überwinden konnten. Das Projekt war ideal, um eine große Anzahl Arbeitsloser nach den Revolutionsunruhen 1848 zu besänftigen und die Arbeiter aus Wien herauszuholen. Anfangs wurden diese (größtenteils Italiener, Kroaten und aus Böhmen) täglich von Wien nach Gloggnitz und zurück transportiert – und gelten damit als „die ersten Pendler Österreichs“. Doch bald besiedelten Tausende von ihnen die Adlitzgräben.

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