Der Schatz vom Toplitzsee

Ein Artikel von REISEN Magazin/Gerald Stiptschitsch | 25.03.2021 - 13:28
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Zwischen 1943 und 1954 wurden hier Unterwasserraketen getestet © Gerald Stiptschitsch

Die Gerüchte handeln von Geheimnissen versenkter Goldbarren und Hinweisen zu Nummernkonten, Kriegsschätzen und Wunderwaffen aus der NS-Zeit oder Kisten mit Teilen des Bernsteinzimmers. Raubkunst und Nazigold sollen am Grund des Toplitzsees liegen – immerhin fanden hier zwischen 1943 und 1945 von der Marineabteilung Versuche mit Unterwassergeschoßen statt und mit Schießübungen von der Gebirgsartillerie an der Gößler Wand verfolgte man das Ziel, dass Aussee zur „Alpenfestung“ wird.
Immerhin wurde der Talkessel des Ausseerlands zwischen Dachsteinmassiv und Totem Gebirge 1945 zum Fluchtpunkt der Nazi-Elite sowie zerschlagener SS- und Heeresverbände. Als „eiserne Reserve“ wurden jene Reichtümer mitgebracht, deren Verbleib den Stoff für Schatzgeschichten liefert. Kunstschätze sollen sich nicht nur vergraben in der gesamten Region befinden, auch der kalte Bergsee mit 2 km Länge, 400 m Breite und 103 m Tiefe eignete sich ideal dafür. Aber Schätze versenken? Der Privatschuldirektor in Bad Aussee, Wilhelm Höttl brachte es einst auf den Punkt: „Wer würde auch so dumm sein, Gold in einen abgrundtiefen See zu werfen? Gold vergräbt man“.
Trotzdem haben Augenzeugen im Mai 1945 beobachtet, wie SS-Männer etwa 60 Holzkisten zum See transportierten und versenkten. 

Falschgeldproduktion durch jüdische Häftlinge

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Die falschen Pfundnoten im Wert von über 175 Millionen Euro sollten die britische Wirtschaft schwächen © Gerald Stiptschitsch

Im August 1959 suchte man den See erstmalig nach Schätzen ab. Taucher fanden in 2 bis 5 m Tiefe falsche 50-Pfund-Noten aus dem Dritten Reich mit einem damaligen Gegenwert von etwa 175 Millionen Euro. Diese wurden zu Kriegsende unter der „Operation Bernhard“ im See versenkt. Über 140 jüdische Häftlinge des KZ Sachsenhausen mussten bis 1945 etwa 134 Millionen Pfundnoten herstellen, von denen 8 % in Umlauf kamen. Das ursprüngliche Ziel, auf diese Weise die britische Wirtschaft zu schwächen, gelang jedoch nie. Mit dem Falschgeld wurden stattdessen Waffen- und Rohstoffkäufe sowie die Bezahlung von Agenten abgewickelt. Um die Spuren zu verwischen, wurden die verbliebenen Blüten, Produktionsmaterial und Unterlagen im Toplitzsee versenkt. Gibt es aber trotzdem noch ein Geheimnis um diese Kisten? Immerhin wurde damals eine weitere Bergungsaktion von der Österreichischen Nationalbank verboten, obwohl es ein O.K. von Minister Frischenschlager gab.

Das Nazi-Gold

Neben den Kisten sollen auch heute noch viele Dinge am Seegrund schlummern, die zumindest für das Heeresgeschichtliche Museum interessant gewesen wären. Mittlerweile hat man auch beinahe jeden Quadratmeter des Grundes mit speziellen Tauchgeräten abgesucht – einen richtigen Schatz konnte man bisher jedoch nicht finden. Ob er nur von der feinen Sedimentschicht abgedeckt ist? Immerhin bleiben auch die Spekulationen, das Bernsteinzimmer sei hier versenkt worden, da ein U-Boot in großer Tiefe Bilder einer in russisch beschrifteten Kiste aufnahm, diese jedoch nicht geborgen werden konnte. Oder ist der Toplitzsee tatsächlich nur der „Müllkübel des Dritten Reiches“?
Wohin gelangte aber schließlich das Reichsbankgold wirklich? Einige 100 Tonnen wurden in den Kaligruben im thüringischen Merkers von den Amerikanern sichergestellt. Sechs Tonnen Gold wurden auf Schloss Fuschl gelagert, ehe dieser Schatz geteilt in den Gemeinden Hintersee und Bad Gastein vergraben wurde. So tauchten nach Kriegsende bei Bauern in Hintersee zahlreiche Goldmünzen auf, die auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden.

Wunderwurm „Willi“

Unter der Leitung von Prof. Fricke des Max-Planck-Instituts wurde 1983 der See mit dem Forschungs-U-Boot „GEO“ nach bisher unbekannten Lebewesen abgesucht. In bis zu 16 m Tiefe findet sich eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt, die Indikatoren für besonders gutes Wasser sind. Ab dann nimmt der Sauerstoffgehalt jedoch rapide ab. Dem Team gelang aber trotzdem die Sensation, als man in 60 m Tiefe den 23 cm langen Toplitzseewurm (Lumbricus cf. Polyphemus) fand, der im sauerstofflosen, schwefelwasserstoffhaltigen Tiefenwasser lebt. Auch sie finden weitere gefälschte britische Pfundnoten, deren Zellulose in der Tiefe des Sees sogenannten Archaebakterien als Nahrung dienten.

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