Puck, das Schlossgespenst

Ein Artikel von Michaela Tebaldi | 24.02.2021 - 10:43
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Malahide Castle mit Spukfaktor © spectrumblue/shutterstock

Irlands Burgen sehen aus, als stünden sie schon ewig, dabei sind sie kaum ein Jahrtausend alt. Ihre Geschichte begann zur Zeit der Anglo-Normannen, die anfangs Burgen aus Erde und Holz bauten. Ende des 12. Jh. begann man ein dauerhafteres Material zu verwenden: Stein.
Nach den normannischen Festungen kamen die Tower Houses, die als Wehrtürme dienten, und die elisabethanischen Herrenhäuser. Aus viktorianischen, freiherrlichen und anderen architektonischen Höhenflügen entstanden neue Gebäude und Umbauten der ursprünglichen Burgen. Das Ergebnis: eine kunterbunte Sammlung aus Ruinen, mittelalterlichen Stilgemischen und perfekt erhaltenen Herrenhäusern, die jede Menge Überraschungen bereithalten. 

Dunluce Castle – eine Burg auf der Klippe

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Nicht zuletzt die dramatische Lage an der Klippe macht Dunluce Castle, eine der größten Ruinen einer mittelalterlichen Burg in Irland, besuchenswert © Nahlik/shutterstock

Im Nordwesten liegt die riesige Burg Enniskillen Castle, der einstige Sitz der Maguires. Die einflussreichen Stammesfürsten hatten ihre eigene Marine, die mit 1.500 Booten die Gewässer des Upper und Lower Lough Erne patrouillierte. Heute sind hier das Fermanagh County Museum und das Militärmuseum des Infanterieregiments Royal Inniskilling Fusiliers beheimatet.
Anderenorts, in der Grafschaft Antrim, liegt eine Burg, die direkt aus einem Fantasy-Roman stammen könnte: Dunluce Castle. Für ein beeindruckendes Panorama arbeiten Sie sich zum Rand der Basaltklippen vor, auf denen die Ruine steht, und sehen hinunter auf die tosende Brandung. Die Lage unmittelbar an der Klippe ist nicht unproblematisch: Mitte des 17.  Jh. wurde die im Mittelalter noch hart umkämpfte Burg verlassen, vermutlich weil es Probleme mit der Standsicherheit gab. Einer Überlieferung zufolge soll 1639 sogar die neu errichtete Küche samt Personal ins Meer gestürzt sein. Im 18.  Jh. wurden erste Stabilisierungsmaßnahmen für Dunluce Castle durchgeführt, mit mäßig erfolgreichen Ergebnissen. So sind auch heute noch Stabilisierungsmaßnahmen an der Burgruine notwendig, um diese vor dem „Absturz“ zu bewahren.

Der Stein der Redegewandtheit auf Blarney Castle

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In Blarney Castle finden Sie den Stein der Redegewandtheit © Geoffrey B. Johnson_Media/shutterstock

Gibt es auch Burgen, die immer noch in Familienbesitz sind? Ja, gibt es! Die Plunketts, Lords von Dunsany, wohnen seit beinahe acht Jahrhunderten auf Dunsany Castle, einem wunderschönen Kleinod in der Grafschaft Meath. Es gibt eine beeindruckende private Kunstsammlung, architektonische Eigenheiten und historische Schätze. Man sagt sogar, dass es sich um das am längsten bewohnte Gebäude in Irland handelt.
Wussten Sie, dass auf Lismore Castle früher Sir Walter Raleigh gewohnt hat? Er soll die Kartoffel nach Irland gebracht haben. Oder dass Cahir Castle in der Grafschaft Tipperary in der Eröffnungsszene des Films Excalibur vorkommt? Oder dass man die legendäre irische Redegabe bekommt, wenn man den Blarney Stone auf Blarney Castle in Cork küsst? Einer Legende nach rief Cormac Laidir MacCarthy, der Erbauer des Blarney Castle, die Göttin Cliodhna bei einem Rechtsstreit um Hilfe. Die wies ihn an, den ersten Stein, den er morgens sah, zu küssen. Dies tat er, gewann dank brillanter Rhetorik den Streit und postierte den „Stein der Redegewandtheit“ hoch oben in den Mauern seiner Festung. Diesen Stein finden Sie auf dem Bergfried an der Außenseite des oberen Wehrgangs – 120 Stufen und 29 m über dem Erdreich. Es soll sich dabei um eine Hälfte des Steins von Scone handeln, den Kreuzritter aus dem Heiligen Land mitbrachten und auf dem die schottischen Könige gekrönt wurden. Gemäß der Legende soll derjenige, der den Blarney-Stein kopfüber küsst, ebenso wie MacCarthy die Gabe des freien Sprechens erlangen. Und deshalb gehört die etwas seltsam anmutende Pose seit 200 Jahren zum Fixpunkt eines Besuchs auf Blarney Castle. Auf dem Boden rücklings mit dem Kopf über dem Abgrund liegend, gilt es, die Lippen von unten auf den heiligen Stein zu stülpen. Eigens angebrachte Eisenstangen „erleichtern“ diese artistische Einlage. Selbst hohe Politiker, darunter Premierminister Winston Churchill, und große TV-Stars sollen deswegen bereits die Stufen erklommen haben. Tun Sie das auch, denn die Redegabe können Sie später gut gebrauchen, wenn Sie von Ihren Abenteuern in Irland erzählen. Aber aufpassen, wenn Iren und Briten im alltäglichen Sprachgebrauch von „Blarney“ reden, denn dieser Begriff wird auch als Synonym für leere Floskeln und unüberlegtes Gerede verwendet.

Das Schlossgespenst von Malahide Castle

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Auf Malahide Castle soll Puck spuken © Irish Drone Photography/shutterstock

Nicht viele Familien können sagen „wir haben hier 800 Jahre lang gelebt“, aber im Fall der Familie Talbot am Beispiel Malahide Castle ist es die Wahrheit. Sie bewohnte dieses Prachtstück im Norden von Dublin bis 1973. Die Burg stammt aus dem 12. Jh., wurde unter der Herrschaft von Eduard IV. vergrößert und 1765 wurden die Türme hinzugefügt. Bei der letzten Renovierung entstand ein brandneuer Speisesaal. Manche Dinge haben sich jedoch nicht geändert: Das schelmische Schlossgespenst, ein Hausmeister namens Puck aus dem 16. Jh., wohnt immer noch hier und geistert durch die Räume des Schlosses. Er sei nach einer unglücklichen Liebe seit Jahrhunderten auf der Suche nach der Frau seiner Träume, heißt es. Scheinbar ist er noch immer nicht fündig geworden.

Am Schauplatz von Braveheart

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Bei Trim Castle wurde Braveheart gedreht © Derick Hudson/shutterstock

Haben Sie Lust, einen Abend bei warmem Met in einem traditionellen Bankettsaal zu verbringen? In Bunratty Castle, Grafschaft Clare, können Sie das. Aber es gibt hier noch mehr als nächtliche Mittelalter-Partys. Die Burg wurde 1425 gebaut und ist die besterhaltene und authentischste mittelalterliche Festung in Irland. Sehen Sie sich um und bewundern Sie 450 historische Möbelstücke und Artefakte oder erkunden Sie den Bunratty Folk Park auf dem umliegenden Gelände. In dem Freilichtmuseum wurden Häuser und Bauernhöfe aus dem 19. Jh. wieder aufgebaut. 
Die normannische Festung Carrickfergus Castle, Grafschaft Antrim, ist eine der atemberaubendsten Burgen in Nordirland. Sie liegt in wunderschöner Umgebung am Ufer von Belfast Lough. In seiner 800-jährigen Geschichte wurde Carrickfergus von den Schotten, den Iren, den Engländern und den Franzosen erobert. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie als Luftschutzraum genutzt. Heute geht es hier friedlicher zu: Es warten ein großartiges Besucherzentrum, audiovisuelle Präsentationen und Führungen. 
Wenn Ihnen Trim Castle, Grafschaft Meath, bekannt vorkommt, könnten Sie Recht haben: Das Steingebäude kam in Mel Gibsons Brave­heart vor. Trim Castle erhebt sich imposant aus der Landschaft. Die Burg aus dem 12. Jh. ist die größte anglonormannische Burg in Irland. Vor ihr stand ein noch älteres Holzgebäude an gleicher Stelle. Die größte Attraktion ist der gewaltige dreistöckige Wohnturm. Ihn kann man nur im Rahmen einer Führung besichtigen. Aber keine Sorge, falls es mit einer Führung nicht klappt. Der Anblick des Turms alleine ist schon beeindruckend genug.