Die Hochblüte der Pecherei in Niederösterreich

Ein Artikel von REISEN-Magazin/Christiane Bartal | 12.01.2021 - 08:29
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Kleine Pechsiedereien wie diese in Netting gab es in der Region um die Jahrhundertwende rund 20. Sie wurden später durch modernere Harzraffinerien wie jene in Pottenstein oder Piesting abgelöst © Gesellschaft der Freunde Gutensteins

Bis in die 1970er Jahre wurde die Pecherei im Süden Niederösterreichs, speziell im Piesting- und Triestingtaltal, von Waldbauern im Nebenerwerb und von Berufspechern gewerbsmäßig betrieben. 1679 wurde in Berndorf der Harzhandel erstmals urkundlich erwähnt, 1747 „das Pechbaum anhacken“ in Grillenberg. Mit der Industrialisierung gegen Ende des 19. Jh. und dem vermehrten Bedarf v. a. an Schmiermitteln für Maschinen intensivierte sich die Harznutzung. Der Bedarf stieg derart sprunghaft an, dass die Nachfrage sogar mittels Importen aus den USA und aus Frankreich gedeckt werden musste.

Weltweit geschätztes Harz

Seine Hochblüte hatte das Niederösterreichische Pecherhandwerk in der Zwischenkriegszeit und nach dem Zweiten Weltkrieg. Das von der Firma Franz von Furtenbach hergestellte Wiener Neustädter Terpentin war wegen der hohen Qualität damals sogar weltbekannt. Piesting war ein Mittelpunkt der Harzgewinnung in Österreich und die dort und in Pottenstein ansässige Harzgenossenschaft sicherte jahrzehntelang die Arbeit vieler Harzbauern, Pechhacker und Pechsieder.

Durch Harzdestillation werden die festen Bestandteile, das Kolophonium, von den flüssigen, dem Terpentin, getrennt. Kolophonium wurde damals wie heute als Geigenharz und als „Saupech“ zum Entborsten der geschlachteten Schweine verwendet. Terpentin findet bei der Papier-, Lack- und Seifenherstellung Verwendung und wird heute größtenteils durch synthetische Produkte ersetzt.

Pechermethoden im Wandel der Zeit

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Vor der Pechhäferl-Methode, bis in die Zwischenkriegszeit, wurde an der Stammbasis ein „Grandl“ oder „Schrott“, also eine Mulde, gehackt, um das herabfließende Harz zu sammeln © Christiane Bartal

Zu Beginn der Pecherei sammelte man das Harz in Erdgruben, die mit Lehm ausgestrichen waren. Erst später entwickelte sich die „Grandl- oder Schrottmethode“, bei der direkt in den Stammfuß eine mondförmige Mulde gehackt wurde. Zwar blieb das Harz im Gegensatz zur Erdmulde sauberer, allerdings war das Fassungsvermögen geringer und ein Teil des im Harz enthaltenen Terpentinöls verflüchtigte sich bereits beim Herabfließen. Ende der 1920er Jahre erfolgte die Umstellung auf die in Frankreich praktizierte „Pechhäferl- oder Zapfbechermethode“, wobei Becher aus Glas, Ton oder seltener aus Eternit und Blech zur Anwendung kamen.

Bei der Bearbeitung des Baumes schwörte jeder Pecher auf seine eigene Methode. Manche ritzten in den Stamm viele V-förmige Rillen, die das Harz ableiteten, andere „plätzten“ den Stamm mit dem Fürhackdexel, andere wiederum hobelten mit einem bogenförmigen Messer einen 2 cm breiten Rindenstreifen ab, aus dem das Harz floss. Letztere Methode galt als die zeitsparendste. Wer aufmerksam durch den Schwarzföhrenwald spaziert, kann die unterschiedlichen Methoden noch erkennen.

Vom Baum in die Pechsiederei

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Zwei Pecher bei der Arbeit, um 1920. Bis zu 7 m lang waren die Leitern, die der Pecher mit sich tragen musste – schließlich galt es auch höher angebrachte Stellen anzuhobeln und Häferln zu entleeren © Gesellschaft der Freunde Gutensteins

Der Arbeitstag eines Berufspechers begann bereits um 3 Uhr morgens. Um beim Hinauf- und Hinuntersteigen an den bis zu 7 m langen Leitern Zeit zu sparen, bediente er sich „Rutschflecken“ aus Leder, die er sich um die Oberschenkel band und mit denen er nach getaner Tat die Leiterholme rasch und kräfteschonend abwärts rutschen konnte.

Beim Ausleeren der Pechhäferln half meist die ganze Familie mit. Pro Saison musste jeder Becher drei- bis fünfmal geleert werden, was bei bis zu 4.000 Kiefern, die ein einzelner Pecher bearbeitete, einen gehörigen Aufwand bedeutete. Für die weiter oben hängenden Becher gab es einen eigenen „Häferlfänger“ – eine bis zu 2 m lange Holzstange mit Blechreifen. Mithilfe eines Pechlöffels wurde der Inhalt des Pechhäferls (rund 1 kg) in das Pechpittel geleert, das samt Harz bis zu 20 kg wog und mit dem der Pecher von Baum zu Baum ging, bis es voll war. Dessen Inhalt wiederum wurde im Pechfass gesammelt, das bis zu 200  kg Harz fasste.

Das Holzfass lagerte im Wald zu mehr als der Hälfte in die Erde eingegraben, um das wertvolle Rinnpech vor dem Austrocknen zu schützen. Die vollen Pechfässer wurden mit Pferdefuhrwerken und später mit Lastwagen zur Pechsiederei transportiert. Das im Herbst gewonnene, auf der Baumwunde kristallisierte „Scherrpech“ wurde ebenfalls in einem Fass gesammelt, mit den Füßen festgestampft und abtransportiert.

Der Untergang der Pecherei

Durch Billigimporte sowie Fortschritte in der chemischen Industrie, die günstigere Terpentinersatzstoffe hervorbrachte, verlor das Harz der Schwarzföhre nach und nach an Bedeutung. 1963 schloss die Firma Franz von Furtenbach ihr Werk, 1971 folgte die Harzfabrik in Piesting und 1978 jene in Pottenstein. Selbst die Zukunft des Pecherhofs Hernstein, der seit den 1990er Jahren noch Harz zu verschiedenen Produkten verarbeitete, ist derzeit nach der Pensionierung seines Gründers ungewiss. Bleibt noch Robert Rendl, der seit einigen Jahren selbst Harz gewinnt und zu Balsam verarbeitet.

Dennoch, die große Zeit der Pecherei hat ihre deutlichen Spuren hinterlassen: nicht nur in den Föhrenwäldern, sondern auch in Flurnamen wie Kienberg in Weißenbach an der Triesting und Straßennamen wie der Harzwerkstraße in Markt Piesting.

Info: www.waldbauernmuseum.at
Pechermuseum Hernstein

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